Gute Arbeit: Noch wird Stahl in Deutschland produziert und verarbeitet - etwa zu Rohren.
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Am Donnerstag kommen Wirtschaft und Politik zum "Stahlgipfel" zusammen. Um die Industriearbeitsplätze zu retten, schlägt die SPD ein Maßnahmenbündel vor. Staatliches Geld, aber auch Regularien sollen stärker deutsche und europäische Produktion fördern - und den Import russischen Stahls beenden.
Die SPD hat sich hinter die Forderung ihres Parteichefs Lars Klingbeil nach einem Ende russischer Stahlimporte gestellt und ein Papier zur Rettung deutscher Industrie-Arbeitsplätze verabschiedet. "Wir stehen zu offenen Märkten und regelbasiertem Handel. Aber wir sind nicht naiv", heißt es in einem Beschlusspapier des Parteivorstands, das ntv.de vorliegt. "Wenn andere nicht länger nach den Regeln spielen, werden wir nicht tatenlos zuschauen." Mit dem Sieben-Punkte-Papier gehen die Sozialdemokraten in den "Stahlgipfel" am Donnerstag, wenn die Spitzen der Bundesregierung und der Bundesländer im Kanzleramt mit den Vertretern der Stahlindustrie zusammenkommen.
In Deutschland arbeiten acht Millionen Menschen in der Industrie. Rund die Hälfte dieser Jobs befindet sich nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl in stahlintensiven Branchen. Mehr als 80.000 Menschen sind direkt in der Stahlindustrie beschäftigt. Doch die Industriearbeit steht unter heftigem Druck: In den sechs Jahren bis zum Sommer 2025 sank die Zahl der entsprechenden Arbeitsplätze um mehr als 200.000. Davon fielen allein 100.000 Stellen seit Sommer 2024 weg, hiervon wiederum mehr als 50.000 in der Autoindustrie.
Diesem Abwärtstrend will die SPD als Teil der Bundesregierung entgegenwirken. "Millionen Menschen in Deutschland arbeiten tagtäglich in Industriebetrieben, die den Kern der Wertschöpfung unseres Landes bilden", heißt es in dem Vorstandsbeschluss. Als ursächlich für den massiven Jobverlust gelten der SPD ein "internationaler Dumpingwettbewerb, Handelshemmnisse und geopolitische Unsicherheiten auf der globalen Ebene sowie hohe Energiekosten, Bürokratie und Fachkräftemangel auf nationaler Ebene".
Zölle für China
Die Sozialdemokraten wollen deshalb die deutsche und europäische Industrie unter anderem mit "zielgerichteten Zöllen" schützen und "die öffentliche Beschaffung stärker auf die Stärkung unseres Standortes ausrichten". Auch die CDU fordert, Stahl aus China mit höheren Zöllen zu belegen. Die Entscheidung darüber liegt aber bei der EU-Kommission. Das Verhältnis zu China ist angespannt - wegen chinesischer Dumpingexporte genauso wie wegen Pekings Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
In dem SPD-Papier heißt es ferner: "Öffentliche Mittel sollen europäische Produktion stärken, Arbeitsplätze sichern und faire Wettbewerbsbedingungen schaffen." Öffentliche Vergabeverfahren, Förderprogramme und Regulierung will die SPD stärker auf die Förderung europäischer Wertschöpfung ausrichten. Als Beispiel nennt der Vorstand explizit den Import russischer Vorprodukte für die Stahlindustrie. "Während wir in Europa um die Zukunft unserer Stahlindustrie kämpfen, importieren wir weiter Stahlprodukte in erheblichem Umfang aus Russland und füllen damit die russische Kriegskasse. Das muss sofort beendet werden." Europa sei nicht auf russischen Stahl angewiesen.
Schon SPD-Chef und Bundesfinanzminister Klingbeil hatte ein "vollständiges Ende aller Stahlimporte aus Russland" gefordert. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er: "Noch immer sind Stahlbrammen, die in Russland produziert und in der EU weiterverarbeitet werden, von Sanktionen ausgenommen." Das könne man "keinem Beschäftigten bei uns in der Stahlindustrie erklären, dass Europa immer noch den Markt für Putin offenhält".
Standorttreue, Entbürokratisierung und Deutschlandfonds
Zugleich will die SPD aber auch staatliche Fördermittel stärker an die Standorttreue der bedachten Unternehmen binden. "Wir fordern Standortpatriotismus von unserer Wirtschaft", formuliert die SPD-Spitze und erläutert weiter: "Staatliche Unterstützung geht dorthin, wo Produktion und Beschäftigung in Deutschland bleiben und gestärkt werden." SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf forderte bei der Vorstellung des Papiers "von den Automobilherstellern das klare Bekenntnis zu europäischem Stahl".
Zugleich soll so gute Arbeit gefördert werden: Im Oktober brachte die SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas das Tariftreuegesetz in den Bundestag ein, das öffentliche Aufträge ab einem Wert von 50.000 Euro auf Unternehmen mit Tarifbindung begrenzen soll.
Als weitere Instrumente zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Stahlproduktion und anderen Industrien nennt die SPD einen forcierten Bürokratieabbau und bekräftigt ihre Forderung nach einem Industriestrompreis. Dieser soll nun auch tatsächlich kommen: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche kündigte die Einführung zum Januar 2026 an.
Der ebenfalls im SPD-Papier genannte Deutschlandfonds ist dagegen noch nicht abzusehen. Der Fonds soll mithilfe staatlicher Anreize privates Kapital für Investitionen in Deutschland mobilisieren. Klingbeil kündigte im Sommer an, noch im laufenden Jahr "konkret" werden zu wollen. Das Instrument liegt in der Verantwortung seines Finanzministeriums sowie des Hauses von CDU-Politikerin Reiche.
In seinem Papier warnt der SPD-Vorstand zudem vor einer Überforderung der deutschen Industrie durch die Umstellung auf eine CO2-freie Produktion: "Die Zukunft unserer Industrie ist klimaneutral. Aber der Weg dahin ist lang. Dekarbonisierung darf nicht zu Deindustrialisierung führen." Eine Woche vor Beginn der 30. Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém ist in der Bundesregierung und auch in der SPD umstritten, ob Deutschland etwa an dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 oder dem EU-weiten Verbrenner-Aus ab 2035 festhalten soll. Die Koalitionspartner CDU und CSU machen sich mit Blick auf die Kosten für die deutsche Wirtschaft für eine Lockerung beider Vorgaben stark.
Quelle: ntv.de
