CDU zofft sich um kalte Progression Schäuble bremst Wirtschaftsflügel aus
30.11.2014, 16:34 Uhr
Schäuble warnt vor überzogenen Erwartungen bei einer Reform der kalten Progression.
(Foto: dpa)
Vor dem Parteitag der CDU ist ein Streit um die Korrektur der kalten Progression entflammt. Während der Wirtschafts- und der Arbeitnehmerflügel eine verbindliche Entscheidung fordern, warnt Finanzminister Schäuble vor zu großer Eile.
Eine Woche vor dem CDU-Parteitag hat Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Skepsis gegen eine schnelle Korrektur bei der kalten Progression in der Einkommensteuer bekräftigt. "Die Debatte über Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression weckt völlig überzogene Erwartungen. Derzeit liegt die Inflation noch nicht mal bei einem Prozent", sagte Schäuble dem "Spiegel". Für die meisten Bürger gehe es um eine Entlastung von einigen Euro im Monat, so der Minister.
Der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann, besteht dagegen auf einer Korrektur der kalten Progression noch vor der nächsten Bundestagswahl. "Eine verbindliche finanzwirksame Entlastung muss spätestens zum 01. Januar 2017 kommen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete. Er sei für Gespräche offen. Ansonsten werde der Wirtschaftsflügel die kalte Progression zum Thema auf dem Parteitag machen. Er gehe davon aus, dass auch der Arbeitnehmerflügel CDA wie angekündigt auf einem verbindlichen Beschluss zur Entlastung der Arbeitnehmer bestehen werde.
"Ein Fehler im System"
Linnemann wies auch Schäubles Einwand zurück, dass ein Entlastungseffekt nur gering sei. "Es handelt sich um einen Fehler im System. Dieser muss korrigiert werden, völlig unabhängig von einer hohen oder niedrigen Inflation", betonte er. Linnemann wies auch den Vorschlag der SPD zurück, eine Reform ab 2019 aus den Einnahmen des Solidarzuschlags zu finanzieren. "Damit wird das Projekt nur auf die lange Bank geschoben."
Derzeit bemüht sich die CDU-Führung darum, vor dem Parteitag am 09. und 10. Dezember in Köln eine Einigung mit dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel der Partei zu erreichen, die eine verbindliche Entscheidung über eine Entlastung bereits in dieser Legislaturperiode fordern. Mit kalter Progression wird der Effekt beschrieben, dass Arbeitnehmer in einen höheren Steuertarif rutschen können, auch wenn ihre Bruttolöhne nicht stärker steigen als die Inflation. Der Grund dafür ist, dass die Grenzwerte bei den Steuerstufen seit Jahren nicht mehr angepasst wurden. In der Union tobt seit Monaten eine Debatte, ob dies korrigiert werden soll, wie CDU und CSU dies im Bundestagswahlkampf auch gefordert hatten.
Noch vor der Bundestagswahl?
Kürzlich wurde bekannt, dass der Entwurf der CDU-Spitze für den Parteitag nur eine allgemeine Formulierung vorsieht. "Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode erneut ein Gesetz zur Bekämpfung der kalten Progression vorlegen", heißt es dort. Ab wann es gelten und ob es noch vor der Bundestagswahl 2017 beschlossen werden soll, bleibt offen. Dies trifft auch auf Kritik der Schwesterpartei: CSU-Chef Horst Seehofer hat gefordert, die Reform zum 01. Januar 2017 umzusetzen.
Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten bisher argumentiert, dass nicht abschätzbar sei, ob man sich angesichts der geopolitischen und konjunkturellen Risiken die Reform leisten könne. Vor allem bei den Wirtschaftspolitikern der Union ist aber sauer aufgestoßen, dass der Finanzminister gleichzeitig zusätzliche Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro bis 2018 angekündigt hat. "Der Abbau der kalten Progression war immer eine unserer Kernforderungen. Und er ist wichtig, damit die arbeitenden Leistungsträger, die eh schon alles bezahlen, nicht überstrapaziert werden", sagte der CDU-Politiker Jens Spahn nun dem "Spiegel".
Auch die SPD fordert mittlerweile eine Korrektur, an deren Finanzierung sich die Bundesländer aber nicht beteiligen wollen. In dem Konzept der von SPD und Grünen regierten Länder zur Reform des Solidarzuschlags ab 2019 ist die Idee enthalten, dass mit den Einnahmen auch die Korrektur der kalten Progression finanziert werden könnte. Dafür warb nun auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Deutschlandfunk. Bei einer Einarbeitung des Soli in die Einkommensteuer könnte man einen Teil der Sondersteuer den Bürgern zurückgeben. "Es wäre jetzt eine Gelegenheit, das Problem anzugehen", sagte Oppermann mit Blick auf die kalte Progression.
Quelle: ntv.de, mli/rts