Politik

Schmuggler haben keine Angst Schlepper-Chef gibt Europa Tipps

Flüchtlinge aus Nordafrika im Hafen der italienischen Insel Lampedusa.

Flüchtlinge aus Nordafrika im Hafen der italienischen Insel Lampedusa.

(Foto: imago stock&people)

Nach den jüngsten Todesfällen im Mittelmeer will die EU Schleppern in Libyen das Handwerk legen, notfalls mit militärischen Mitteln. Einer der Schlepper vor Ort zeigt sich unbeeindruckt - er hat aber Tipps, was die EU stattdessen tun könnte.

Die von der Europäischen Union angekündigten Pläne gegen Menschenhandel im Mittelmeer lösen bei den Schlepperbanden in Libyen offenbar keine Ängste aus. "Was wollen die denn machen, zwei Fregatten hier hinbringen?", fragte der größte Schlepper der libyschen Hafenstadt Zuwara den britischen "Guardian". Die EU hatte am Montagabend einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem vorsieht, militärische Mittel gegen Schlepperbanden einzusetzen. "In libysche Gewässer? Das wäre eine Invasion", sagte er.

"Sie lügen nur. Sie sind Lügner", sagte der Mann, der darum bat, in dem Artikel "Haddsch" genannt zu werden - diesen Titel dürfen Muslime tragen, die eine Pilgerfahrt nach Mekka unternommen haben. Der "Guardian" beschreibt den Schlepper als 33 Jahre alten Juristen, der nach Angaben seiner Gefährten für 60 Prozent der Fahrten aus Zuwara verantwortlich ist.

Es sei nicht das erste Mal, dass die EU lüge. "Im letzten Jahr war es dasselbe, nachdem diese Tragödien passiert waren", sagte Haddsch über das Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer, das bereits 2014 folgenlose Betriebsamkeit in der EU ausgelöst hatte. "Menschenrechtsleute kamen und redeten, Politiker trafen sich und sagten, sie würden etwas tun. Aber nichts passierte. Es wird jetzt genauso sein."

"Ich setze euch unter Druck"

Statt unklarer militärischer Optionen schlägt Haddsch vor, dass die EU der ethnischen Minderheit der Berber beim Aufbau einer lokalen Infrastruktur hilft. Die Amazigh, wie sie auch genannt werden, betreiben das Schleppergeschäft in Zuwara. Auch Haddsch gehört dieser Minderheit an, die bis zum Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 unterdrückt worden war. Außerdem rät Haddsch der EU, in die unterfinanzierte libysche Küstenwache zu investieren, für Stabilität in Libyen zu sorgen und mehr zu unternehmen, um die Zahl der Fischerboote zu reduzieren, in denen die Schlepper die Flüchtlinge in italienische Gewässer bringen.

Im Gespräch mit dem "Guardian" beschreibt Haddsch sich als Beispiel für einen Schlepper, den die Not gezwungen hat, kriminell zu werden. "Ich habe studiert, ich habe einen juristischen Abschluss, aber ich hatte keinen Job", sagt er. "Und wenn man keinen Job hat und jemand sagt: 'Kannst du mir ein Boot besorgen?', und dazu gehört ein Profit von 22.000 Dollar, dann ist das eine gute Gelegenheit."

Nach Gaddafis Sturz hätten die Einwohner von Zuwara zunächst aufgehört, Flüchtlinge nach Europa zu bringen. Sie wollten abwarten, ob die EU und die libysche Regierung die Amazigh unterstützen würden. "Nach der Revolution wollten wir der EU den Gefallen erwidern, denn sie hatte uns gegen den Tyrannen unterstützt. Wir wollten zeigen, dass es [der Menschenhandel] aufhören könnte. Aber ich habe mein Projekt wieder aufgenommen, denn ich merkte, dass die EU uns Amazighs übers Ohr haut. Es war offensichtlich, dass es nicht um Menschenrechte ging. Die libysche Regierung hält nicht zu uns, und die EU hilft uns auch nicht. Wenn ihr uns nicht schützt, dann schütze ich euch auch nicht. Ich setze euch unter Druck."

Haddsch räumte ein, dass nicht alle Schlepper ihre Geschäfte beenden würden, wenn die Berber Hilfe von der EU bekämen, zumal es Schlepper gibt, die keine Berber sind. "Es gibt Schmuggler, denen es Spaß macht, für Geld zu arbeiten, auch in Zuwara", sagte er. "Aber es gibt auch Männer wie mich, denen es Spaß macht, Druck auf euch [Europäer] auszuüben." Er könne die Wache sein, die das Tor nach Europa bewacht. Wenn Europa sich nicht um das Tor kümmere, "dann kann jeder reinkommen".

Quelle: ntv.de, hvo

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