Nicht über Flüchtlinge sprechen? Schulz hat Ärger wegen eines Zettels
09.08.2017, 10:32 Uhr
Schulz beim Besuch in Jena
(Foto: imago/photothek)
Auf der Jagd nach Wählerstimmen tourt Martin Schulz durch die Republik. Bei einem Besuch in Jena kommt es zu einem Missverständnis, das die SPD und ihren Kanzlerkandidaten in Erklärungsnot bringt.
Die schlechten Umfragen, der drohende Machtverlust der SPD in Niedersachsen und ein bisher nicht so recht zünden wollender Bundestagswahlkampf - die Sozialdemokraten und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz stecken in einer schwierigen Situation. Als hätte Schulz nicht schon genug Probleme. Nun ist er erneut in Erklärungsnot geraten. Wegen eines Zettels und eines Zwischenfalls, für den der Kandidat offenbar nichts kann, der ihn aber trotzdem erst einmal schlecht dastehen lässt.
Schulz ist zurzeit auf Sommerreise in den neuen Bundesländern unterwegs. Am Dienstag stand unter anderem ein Stop in Jena auf dem Programm. Der SPD-Chef besuchte dort ein Mehrgenerationenhaus im Stadtteil Lobeda. Einige der Bewohner waren ziemlich sauer. Auslöser war ein Schreiben der Awo Jena-Weimar, die das Haus betreibt, im Vorfeld des Termins. Darin hieß es: "Bei dem Besuch soll es vor allem um die Themen des Zusammenlebens der Generationen, Familie, Pflege und Alter/Rente gehen". Und: "Wir bitten Sie darum, 'Flüchtlinge/Migration' nicht zu thematisieren, da bei diesem Besuch die anderen genannten Themen im Fokus stehen sollen."
Schulz, der die Flüchtlinge zuletzt noch selbst zum Thema gemacht hatte, wusste nach eigenen Angaben nichts von einem angeblichen Redeverbot. "Ich weiß nicht, warum die Awo diesen Zettel geschrieben hat", sagte er. "Ich hätte Ihnen keinen Zettel gegeben." Schulz bot den Bewohnern an, man könne über alle Themen reden. Frank Albrecht, der Vorstandsvorsitzende der Awo Jena-Weimar, erklärte später, man habe den Umgang mit Flüchtlingen gern umfassender thematisiert. "Berlin", also die SPD, habe aber gesagt, dass Schulz nur wenig Zeit habe und das Thema zu wichtig sei, um es mit den Themen Mehrgenerationengerechtigkeit und Pflege zu vermischen. Am Abend berichten verschiedene Medien über den Zwischenfall.
"Ein großes kommunikatives Missgeschick"
Was war da los? Für den Schulz-Termin in Jena um 15.30 Uhr waren rund eineinhalb Stunden eingeplant. Um 18 Uhr wollte der Schulz-Tross schon im 100 Kilometer entfernten Landsberg sein. Aus Zeitgründen hatte die SPD den ursprünglichen Besuchsplan kurzfristig geändert und einen eigentlich vorgesehenen Besuch eines Flüchtlingsprojekts der Awo gestrichen. Bei der Vorbereitung bat die Partei wohl darum, sich angesichts der Kürze der Zeit vor allem auf die Bereiche Generationengerechtigkeit und Pflege zu konzentrieren.
Gab es vonseiten der SPD sogar eine Vorgabe, nicht über das Thema Einwanderung zu reden? SPD-Kommunikationschef Tobias Dünow widerspricht deutlich. "Schulz spricht bei jedem Gespräch über das, was seine Gesprächspartner bewegt. Ohne Redeverbote", twitterte er. "Es gab keine Ansage aus dem Willy-Brandt-Haus, nicht über Flüchtlinge zu sprechen."
Die Awo bestätigt dies. Es habe keine Ansage der SPD gegeben, sagt Pressesprecherin Mona Finder n-tv.de. "Das war ein großes kommunikatives Missgeschick." Die Awo, die auch eine Pressemitteilung veröffentlichte, sei "zerknirscht" über den Vorfall und bedauere es "sehr", dass ein falscher Eindruck entstanden sei. Hierfür wolle man sich bei Schulz entschuldigen.
Quelle: ntv.de