Menschenrechtler darf nicht reisen Sisi-Besuch spaltet Berlin
02.06.2015, 22:41 Uhr
Ägypter in Berlin wollen mit ihren Protesten erst richtig loslegen, wenn Präsident Sisi angekommen ist.
(Foto: imago/IPON)
Der ägyptische Präsident wird in Berlin mit allem Pomp empfangen. Viele in der Hauptstadt haben etwas dagegen. Wenig hilfreich für Abdelfatah al-Sisi ist es, dass er einen Tag vor seiner eigenen Reise einen Bürgerrechtler am Reisen hindert.
Trotz massiver Kritik an der Menschenrechtslage in seinem Land wird der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi an diesem Mittwoch von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin empfangen. Nach einer Begrüßung mit militärischen Ehren und einem Gespräch im Schloss Bellevue sind Beratungen und ein Pressetermin im Bundeskanzleramt geplant.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte ein geplantes Treffen mit Sisi im Bundestag wegen der Menschenrechtslage in Ägypten abgesagt. Menschenrechtsorganisationen und Politiker aus Koalition und Opposition forderten klare Worte an Sisi, der seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 an der Macht ist und mit harter Hand gegen dessen Muslimbruderschaft vorgeht.
Grüne empört über Passentzug eines Bürgerrechtlers
Einen Tag vor der geplanten Ankunft von Sisi wurde der Fall eines ägyptischen Menschenrechtlers öffentlich, der in Kairo von den Behörden an seiner Ausreise gehindert wurde. Besonders empört zeigten sich die Grünen, weil sie Mohammed Lotfy eingeladen hatten. "Kurz vor dem Staatsbesuch von Präsident Al-Sisi in Berlin erteilt die ägyptische Führung ihren deutschen Gastgebern eine Ohrfeige", erklärten die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, und die Abgeordnete Franziska Brantner. Das Ausreiseverbot für Lotfy diene allein dem Zweck, eine prominente oppositionelle Stimme daran zu hindern, "über die wahren Zustände im Ägypten Al-Sisis zu berichten".
Lotfy ist der Direktor der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten. Er sollte unter anderem an einem Fachgespräch der Grünen zum Thema Menschenrechte teilnehmen. "Die Sicherheit hat mich am Flughafen Kairo an der Ausreise gehindert, ich warte darauf, dass man mir meinen ägyptischen Pass zurückgibt", schrieb Lotfy bei Twitter. Die Linkspartei nannte den Staatsempfang für Al-Sisi einen "Schlag für alle, die sich für Menschenrechte einsetzen". Die Abgeordnete Christine Buchholz forderte: "Die Kumpanei mit der ägyptischen Regierung muss beendet werden."
Mursi-Entscheidung vertagt
An anderer Stelle versuchte die Führung in Kairo aber, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ein Gericht verschob die Entscheidung über das Todesurteil gegen Al-Sisis islamistischen Amtsvorgänger Mohammed Mursi. Die Richter vertagten sich auf den 16. Juni, weil das Gutachten des ägyptischen Mufti, der höchsten staatlichen Glaubensautorität im Land, zu kurzfristig eingetroffen sei. Die Juristen können ihr Urteil unter Einbeziehung seiner Meinung bestätigen oder verwerfen. Der Aufschub war für nicht unwahrscheinlich gehalten worden. Eine Bestätigung des international heftig kritisierten Urteils von Mitte Mai gegen den Islamisten Mursi hätte den Besuch Al-Sisis in Deutschland belasten können.
Quelle: ntv.de, nsc/AFP/dpa