Politik

Daten und Grafiken zur Wahl So steht es um Thüringen

Komfortable Lage mitten in Deutschland: In Thüringen leben weniger als drei Prozent aller Deutschen.

Komfortable Lage mitten in Deutschland: In Thüringen leben weniger als drei Prozent aller Deutschen.

(Foto: picture alliance / Martin Schutt)

Tag der Entscheidung in der geografischen Mitte Deutschlands: Rund 1,7 Millionen Thüringer legen die politischen Machtverhältnisse im Land neu fest. Wie steht der Freistaat zur siebten Landtagswahl seit der Wende da? Ein Blick auf die wichtigsten Kennzahlen.

Thüringen ist ein Bundesland mit einigen Besonderheiten: Gelegen in Mitteldeutschland zwischen Hessen und Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt wirbt das Land, das sich seit 1993 offiziell "Freistaat" nennt, mit einem reichen kulturellen Erbe, anerkannten Standorten für Bildung und Forschung und einer vielfältigen Industriegeschichte. "Hier hat Zukunft Tradition", heißt es in Thüringen mit Blick auf den Mix aus alten Handelsstädten wie Erfurt, die Klassikerstadt Weimar, das Bauhaus und die Hightech-Betriebe rund um die Uni Jena.

Doch wie lebt es sich in Thüringen? Das gemessen an der Wirtschaftsleistung drittstärkste Bundesland im Osten musste in der Nachkriegszeit und vor allem seit der Wende einen erheblichen Bevölkerungsschwund hinnehmen. Seit 1950 ist die Einwohnerzahl um fast ein Drittel geschrumpft.

Aktuell leben in dem rund 16.200 Quadratkilometer großen Land nur noch gut 2,1 Millionen Einwohner. Im bundesweiten Vergleich liegt Thüringen damit auf Platz 12 vor dem Stadtstaat Hamburg, dem dünnbesiedelten Mecklenburg-Vorpommern, dem deutlich kleineren Saarland und der Hansestadt Bremen. Dabei bietet Thüringen in der Fläche sogar etwas mehr Platz als Schleswig-Holstein.

Ähnlich sieht es bei der Wirtschaftskraft aus: Auch hier landet Thüringen im Deutschland-Ranking auf dem fünftletzten der 16 Plätze, wie der Blick auf die relativen Stärken zeigt:

Zum Teil dürfte das auf die großen Unterschiede in der Bevölkerungsstruktur zurückzuführen sein. Thüringen ist geprägt von starken Gegensätzen zwischen Stadt und Land: Die großen Ballungszentren der Region liegen fast alle entlang der sogenannten Thüringer Städtekette, die sich von Eisenach im Westen über Gotha, Erfurt, Weimar und Jena bis nach Gera im Osten erstreckt.

Dabei übersteigt die Stadtgröße nur in der Landeshauptstadt die Schwelle von 200.000 Einwohnern - und nur in Erfurt und Jena die 100.000. Das heißt: Die große Masse der Thüringer lebt in kleineren Städten und Landgemeinden. Und vor allem auf dem Land kämpfen viele Orte mit den Problemen Abwanderung und Überalterung.

Politisch war Thüringen in den Jahren nach der Wende lange fest in der Hand der Christdemokraten. Der CDU-Politiker Bernhard Vogel etwa regierte das Land von 1992 bis 2003. Erst nach der Landtagswahl 2014 kam es zur Ablösung durch die bis heute regierende rot-rot-grüne Koalition unter Ministerpräsident Bodo Ramelow - dem bundesweit ersten Landeschef aus den Reihen der Linken.

Wie stark die Parteien in den für Thüringen so wichtigen Regionen verankert sind, lässt sich an den Ergebnissen der zurückliegenden Landtagswahl ablesen. Stärkste Kraft blieb 2014 - wie in allen Jahren zuvor - die CDU.

Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren (#LTW14) erhielten die Christdemokraten, die damals mit Christine Lieberknecht die Regierungschefin stellten, volle 33,5 Prozent der Zweitstimmen und damit etwas mehr als bei der Wahl 2009 unter Lieberknechts Amtsvorgänger Dieter Althaus. Die 2014 erstmals in Thüringen auf Landesebene angetretene AfD erzielte dagegen solche relativen Spitzenwerte nur in vereinzelten Gemeinden.

Die Mehrheit der Thüringer wählte damals noch eher konservativ oder links. Die SPD zum Beispiel kam damals noch auf ein Wahlergebnis von 12,4 Prozent und blieb damit vor der "Alternative" drittstärkste Kraft im Land.

So sah Thüringen nach der Landtagswahl 2014 aus:

Die Grünen konnten in Thüringen zuletzt vor allem in den Städten punkten. 2014 gelang der Partei mit einem vergleichsweise schwachen Ergebnis von 5,7 Prozent nur knapp der Einzug ins Landesparlament. Außen vor blieben dagegen die Liberalen: Der FDP wollten damals nur 2,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme geben. Diesmal jedoch könnte FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich zum Königsmacher aufsteigen - vorausgesetzt, seiner FDP gelingt diesmal der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Mittlerweile sieht die politische Landkarte Thüringens tatsächlich grundlegend anders aus: Bei der Europawahl im Frühjahr (#EW19) leuchteten weite Flächen im Blauton der "Alternative für Deutschland" auf.

Thüringen nach der Europawahl 2019:

Zwar sind die Ergebnisse einer EU-Wahl sicher nur bedingt mit rein landespolitisch orientierten Wahlen vergleichbar. Doch immerhin belegen die Daten aus dem Mai, wie schnell sich das politische Klima in Thüringen verändert hat. Die AfD, die erneut mit ihrem Rechtsaußen-Vertreter Björn Höcke als Spitzenkandidat antritt, hat Umfragen zufolge gute Chancen, zur neuen drittstärksten Kraft aufzusteigen. Wenn die Einschätzungen der Meinungsforscher richtig liegen, dann könnten Themen wie Fremdenangst, Nationalismus und der Slogan "Vollende die Wende!" fast ein Viertel der wahlberechtigten Thüringer zur Stimmabgabe für die Rechten bewegen.

Gelingt es der AfD damit, die wichtigsten Problemlagen im Land anzusprechen? Fakt ist, dass der Ausländeranteil in Thüringen mit 4,9 Prozent weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Die Arbeitslosigkeit fällt mit 5,3 Prozent nur unwesentlich schlechter als die deutschlandweite Quote aus. Auffallend jedoch sind die Daten zur Altersstruktur: Der Anteil der Einwohner im Alter über 65 Jahren ist mit 23,2 Prozent bemerkenswert hoch. Nur Sachsen und Sachsen-Anhalt weisen höhere Senioren-Anteile auf, wie ein Blick in den Bundesländer-Vergleich verrät.

Dabei hat das Land zwischen Südharz, Vogtland, Rhönausläufern, Kyffhäuser, Eichsfeld und der Pleiße gerade für die Jüngeren viel zu bieten: Beim Zukunftsthema Bildung etwa glänzt Thüringen im bundesweiten Vergleich mit einer der Top-Platzierungen. Im Bildungsmonitor 2019 der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft landete der Freistaat in der Rangfolge aller 16 Bundesländer auf Platz 3 hinter Sachsen und Bayern.

Überdurchschnittlich gut schneidet Thüringen dabei in den Kategorien Ausgabenpriorisierung, Förderinfrastruktur und Schulqualität ab. Allerdings: Im Vergleich zu 2018 rutschte Thüringen von Rang 2 auf Platz 3. Und: Im dynamischen Ranking, das die Veränderungen von 2013 zu 2019 misst, ist das Land eindeutiges Schlusslicht.

Als besonders problematisch bewerteten die Bildungsforscher den Bereich "Integration". Hier zeigt sich, wie gut die Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher im jeweiligen Bildungssystem gelingt. Thüringen weist hierbei eine negative Punktzahl auf - als einziges der 16 Bundesländer. (Weitere Details aus dem Bildungsmonitor zur Lage in Thüringen finden Sie hier.)

Wohin steuert Thüringen? In den Umfragen wies zuletzt alles auf einen ungewöhnlich verfahrenen Wahlausgang hin. Keine der Parteien hat Aussicht alleine oder mit nur einem oder gar zwei Partnern eine tragfähige Mehrheit zu erreichen. Die letzte große Wahlentscheidung des Jahres könnte Deutschland erstmals eine Viererkoalition auf Landesebene bescheren.

Als womöglich wichtigster Faktor könnte sich die Bereitschaft der Bevölkerung erweisen, von ihrem Stimmrecht tatsächlich auch Gebrauch zu machen. Bei der zurückliegenden Landtagswahl 2014 lag die Wahlbeteiligung in Thüringen bei vergleichsweise schwachen 52,7 Prozent. Das heißt, dass fast jeder zweite Wähler es vorzog, die Neuverteilung der politischen Machtverhältnisse im Land anderen zu überlassen. Sollten diesmal wie zuletzt bei der Bundestagswahl 2017 und bei der Europawahl 2019 mehr Thüringer zur Wahl gehen, könnte es am Abend durchaus Überraschungen geben.

Quelle: ntv.de

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