Ein neuer Landtag für Sachsen Spannend wird es erst nach der Wahl
30.08.2014, 11:03 Uhr
Der Regierungschef ist die Botschaft. Inhalte würden nur stören.
(Foto: REUTERS)
Stanislaw Tillich bleibt sächsischer Ministerpräsident, so viel ist sicher. Die FDP dürfte bei der Wahl am Sonntag aus Regierung und Landtag fliegen. Seinen neuen Koalitionspartner kann Tillich sich aller Voraussicht trotzdem aussuchen.
Am Sonntag gehen in Sachsen die Ferien zu Ende. Ach so, ein neuer Landtag wird auch gewählt. Man erkennt es daran, dass im Freistaat Wahlplakate an den Laternen hängen. Ansonsten ist der Wahlkampf weitgehend ausgefallen. Was nicht nur an den Ferien lag: Warum kämpfen, wenn das Ergebnis ohnehin feststeht?
Denn dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich abgewählt wird, ist unvorstellbar. Alle Umfragen sehen seine CDU zwischen 39 und 42 Prozent. Zwar gibt es durchaus Kritik an der Landesregierung. Jeder zweite Sachse ist unzufrieden mit der Bildungspolitik - dem fast einzigen Thema dieses Wahlkampfes. Doch weder Erzieherinnen- noch Lehrermangel wird dem Regierungschef angelastet. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Tillich spröde, aber populär - der "Vati des Freistaats" eben.
Tillich wird plakatiert mit dem Slogan "Unser Ministerpräsident". Inhalte stören nur, das hat Merkel den Wahlkämpfern in Deutschland gezeigt. Zu einem Fernsehduell war Tillich nicht bereit. Das lag allerdings auch daran, dass es Herausforderer im eigentlichen Sinne nicht gibt.
Der Spitzenkandidat der SPD heißt Martin Dulig, ist 40 Jahre alt und hat sechs Kinder. Er gilt als politisches Talent, aber selbst in Sachsen kennt ihn nur jeder Zweite. Ein Desaster? Nicht ganz. Vor Beginn des Wahlkampfes war es nur jeder Vierte. "Ich möchte gern mal Ministerpräsident werden, aber das wird in diesem Jahr noch nicht funktionieren", gibt Dulig offen zu. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren lag die SPD, die von 2004 bis 2005 zusammen mit der CDU regierte, bei 10,4 Prozent. Jetzt kann sie mit 15 Prozent rechnen. Würde sie ein solches Ergebnis wirklich erreichen, wäre es ein Erfolg.
Für die AfD soll Sachsen ein Startschuss sein
Spannend ist der Wahlkampf wegen der Parteien, die noch kleiner sind als die SPD. Da ist zunächst die AfD, der die jüngsten Prognosen 7 Prozent geben. Spitzenkandidatin Frauke Petry ist auf Bundesebene zugleich die Stellvertreterin von AfD-Gründer Bernd Lucke; ihr Wahlerfolg dürfte die Machtverhältnisse in der konservativen Alternative zu ihren Gunsten verschieben. Die ersten Mandate eroberte die junge Protestpartei bereits bei der Europawahl im Mai. Doch das eigentliche Ziel der AfD heißt Berlin. Bis zur nächsten Bundestagswahl stehen 13 Landtagswahlen auf dem Programm. Ein Erfolg in Sachsen könnte ein Startschuss für eine Serie sein.
Die FDP dagegen liegt in den Umfragen bei 3 Prozent und wird damit wohl nicht nur aus dem Landtag, sondern auch aus der letzten Landesregierung fliegen, an der sie noch beteiligt ist. Daran dürfte auch die aggressive Kampagne nichts ändern, mit der FDP-Landeschef Holger Zastrow die sächsischen Liberalen retten wollte. "Sachsen ist nicht Berlin!", plakatierte die FDP und wollte den Wählern damit sagen, dass sie mit der Bundespartei nichts zu tun hat. Zugleich zeigen diese Plakate, wie verzweifelt Zastrow ist. Vor einem Jahr hatte er noch getönt, in Sachsen werde es, anders als bei der Bundestagswahl, keine Zweitstimmenkampagne geben. Jetzt lautet der Wahlspruch: "Für Schwarz-Gelb: FDP wählen!"
Ein Wackelkandidat ist auch die NPD, die in Sachsen seit zehn Jahren im Landtag vertreten ist. Aufgefallen ist die Neonazi-Partei zuletzt vor allem durch Streit. Ihr Fraktionschef Holger Apfel trat im Dezember aus der NPD aus und setzte sich nach Mallorca ab. Lange sah es so aus, als blieben seine früheren Kameraden dieses Mal unter der Sperrklausel - doch die jüngsten Umfragen sehen die Rechtsextremisten bei 5 Prozent. Es wird also knapp.
Weniger spannend sind dagegen Linke und Grüne. Beide dürften ihr Ergebnis von 2009 leicht unterbieten. Damals erreichten die Grünen 6,4, die Linken 20,6 Prozent. Damit wären die Linken wieder zweitstärkste Kraft hinter der CDU - zu dem Duell der Spitzenkandidaten, das drei sächsische Tageszeitungen ausrichteten, wurde neben Tillich nicht SPD-Mann Dulig eingeladen, sondern Linken-Chef Rico Gebhardt. Anders als in Thüringen hat die Linke in Sachsen dennoch vorläufig keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung - dafür sind die potenziellen Partner einfach zu schwach.
Ministerpräsident Tillich wird seinen neuen Koalitionspartner also unter drei Parteien wählen können: SPD, Grüne und AfD wären, mit unterschiedlich starker Begeisterung, zu einer Koalition bereit. Am wahrscheinlichsten ist Schwarz-Rot, eine Koalition der CDU mit den Grünen und ihrer vergleichsweise populären Spitzenkandidatin Antje Hermenau ist aber keineswegs ausgeschlossen. Nur theoretisch möglich ist eine Zusammenarbeit von CDU und AfD. Tillich sagte, ein solches Bündnis ziehe er nicht in Betracht. Ausdrücklich ausgeschlossen hat er es aber nicht. Dennoch wären schon Sondierungsgespräche zwischen CDU und AfD eine Überraschung nach diesem so geruhsamen Ferien-Wahlkampf.
Quelle: ntv.de