Konflikt begrenzen - dann lösen Steinmeier sieht keine schnelle Krisen-Lösung
08.02.2015, 11:33 Uhr
Steinmeier fordert in der Krise einen langen Atem.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit Spannung werden die neuerlichen Friedensbemühungen für den Osten der Ukraine verfolgt. Doch Außenminister Steinmeier dämpft die Erwartungen. Die Krise zum Anlass nimmt der Bundeswehrverband und fordert mehr Geld: Man müsse auch an Krieg denken.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hält eine rasche Beilegung der Ukraine-Krise für ausgeschlossen. "Wir sind von einer Lösung des Ukraine-Konflikts auch nach dem letzten Verhandlungswochenende weit entfernt", sagte der SPD-Politiker bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Es gehe nun darum, "den Konflikt zu begrenzen und im nächsten Schritt zu entschärfen, um Raum zu gewinnen für spätere politische Lösungen". Zudem sei es wichtig, "über die verschiedenen Handlungsoptionen nachzudenken".
Der Konflikt werfe die Frage auf, "ob und wie Russland langfristig in die internationale Ordnung eingebunden werden kann", sagte Steinmeier weiter. "Dauerhafte Sicherheit für Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben." Dies dürfe aber "keine einseitige Erkenntnis bleiben". Es sei "auch Moskaus Aufgabe, gemeinsame Interessen zu definieren". "Dazu haben wir wenig, zu wenig gesehen bisher", kritisierte der Ressortchef.
EU-Außenbeauftragte spricht von Präzedenzfall
Derweil mahnte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eindringlich eine diplomatische Lösung an. Zwar wisse man nicht, ob die Friedensbemühungen der vergangenen Tage erfolgreich sein würden. "Aber wir müssen es versuchen. Es gibt keine Alternative zu einer diplomatischen Lösung." Die Ukraine-Krise sei "ein äußerst gefährlicher Präzedenzfall nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt". Grundprinzipien des Völkerrechts wie die Wahrung der territorialen Integrität würden verletzt.
Zugleich aber forderte sie von Russland Verhandlungsbereitschaft. "Die Türen der EU bleiben offen für den Dialog", sagte sie. Allerdings könne und werde Brüssel "unsere internationalen Prinzipien und Werte nicht aufgeben". Ziel aller Bemühungen müsse sein, "die Minsker Vereinbarung voll umzusetzen".
Die EU wolle "eine verantwortungsvolle Macht vor unserer eigenen Haustür" sein, sagte Mogherini. Brüssel stehe "Seite an Seite mit unseren Partnern und Freunden in der Region" und verteidige sie "gegen diejenigen, die versuchen, ihre Werte, Ziele und souveränen Entscheidungen zu untergraben". Wichtig dabei sei, dass die EU "geeint" auftrete.
Steinmeier lehnt Waffenlieferungen ab
Die Debatten bei der seit Freitag tagenden Sicherheitskonferenz werden weitgehend von der Ukraine-Krise beherrscht. Am Donnerstag hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande überraschend eine neue diplomatische Initiative gestartet, um den Konflikt zu lösen.
Ein Durchbruch wurde nicht erzielt. Merkel hatte die Aussicht auf einen Erfolg der Initiative am Vortag als "ungewiss" bezeichnet. Im Tagesverlauf will sie mit Hollande, Poroschenko und Putin in einer Telefonkonferenz erneut beraten. Merkel bricht zudem zu einem USA-Besuch auf, um mit Präsident Barack Obama über den Konflikt zu sprechen.
Zuvor hatte Steinmeier in der ARD erklärt, "innerhalb der nächsten zwei, drei Tage" werde sich entscheiden, ob die neuen Bemühungen zum Erfolg führten. In den Verhandlungen geht es vor allem um die Umsetzung eines im September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelten Friedensplans. Dieser sieht unter anderem eine Waffenruhe vor, die aber nie hielt.
Die USA erwägen inzwischen Waffenlieferungen an die Ukraine, was die Bundesregierung ablehnt. Steinmeier sagte dazu nun, er halte einen solchen Schritt "nicht nur für hochriskant, sondern auch für kontraproduktiv". Der Minister warnte in diesem Zusammenhang vor einer "nächsten Eskalationsstufe".
Bundeswehrverband: Auf Krieg vorbereiten
Auch der Bundeswehrverband teilt nach eigenem Bekunden uneingeschränkt die Auffassung der Bundesregierung, dass der Konflikt zwischen den prorussischen Separatisten und der ukrainischen Führung nicht durch militärische Intervention gelöst werden könne. Allerdings mahnte er eine bessere Ausstattung der Truppe für den Ernstfall an. "Wer den Frieden will, muss auf den Krieg vorbereitet sein», sagte Verbandschef André Wüstner. Das vergangene Jahr habe gezeigt, wie schnell Risiken zur Bedrohung werden können, betonte Wüstner.
"Um die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erreichen, müssen wir in den nächsten Jahren schrittweise den Verteidigungshaushalt erhöhen - von 2016 an um zunächst eine Milliarde Euro", sagte er weiter. Ziel müsse die materielle Vollausstattung der Bundeswehr sein. "Andernfalls riskieren wir, das gerade erst wiedererlangte Vertrauen unserer Verbündeten zu verlieren."
Kiew und der Westen werfen Moskau vor, die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen. Russland weist dies zurück. Außenminister Sergej Lawrow nannte die neuen Verhandlungen am Samstag in München eine "gute Grundlage", die Anlass "für einen gewissen Grad an Optimismus" gäben.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa