Ist US-Präsident komplett immun? Supreme Court spielt Trump in die Karten
29.02.2024, 05:15 Uhr Artikel anhören
Foto vom Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021: Welche Verantwortung trägt Donald Trump?
(Foto: REUTERS)
Donald Trumps Anwälte vertreten ein absurdes Argument: Der US-Präsident könne für nichts während seiner Amtszeit bestraft werden, nicht einmal für einen hypothetischen Mordauftrag. Jetzt will der Supreme Court dazu urteilen. Egal, wie das Ergebnis ausfällt - es hilft Trump.
Wie eine Bombe schlug die Nachricht am späten Mittwochnachmittag Ortszeit in die US-Medienlandschaft ein: Das Oberste Gericht wird darüber urteilen, ob und inwieweit Donald Trump für seine Handlungen im Amt zur Verantwortung gezogen werden kann oder ob er Immunität genießt. Die Entscheidung des Supreme Court wird enorme Auswirkungen haben. Mehrere Strafprozesse gegen ihn werden davon beeinflusst - und damit auch seine erneute Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.
Trump lobte den Schritt des konservativ dominierten Supreme Courts. "Ein Präsident muss frei in seinen Entscheidungen sein, ohne unangemessenen Druck. Wenn es keine Immunität gibt, wird es auch keine Präsidentschaft mehr geben, wie wir sie kennen", behauptete er. Andernfalls sei ein Staatschef erpressbar. "Er wäre durch mögliche unberechtigte Verfolgung und Rache paralysiert." Als Präsident hatte er drei der insgesamt neun Obersten Richter ins Amt gebracht. Das offensichtliche Gegenargument zu Trumps Reaktion wäre: Muss ein Staatschef keine Folgen fürchten, hat er auch keinen Grund, sich an Regeln zu halten.
Konkret geht es zunächst um den Aufstand vom 6. Januar 2021, als Trumps Anhänger den US-Kongress stürmten. Sie wollten die Wahlniederlage gegen Joe Biden nicht akzeptieren und die Zertifizierung des Ergebnisses im Senat verhindern. Die Staatsanwaltschaft und ihr Sonderermittler Jack Smith haben Trump deshalb angeklagt: Wegen Verschwörung zum Wahlbetrug, Behinderung eines offiziellen Verfahrens und weil er damit US-Bürgern ihr Wahlrecht verweigert haben soll.
Kritik an breit formulierter Frage
Wird Trump verurteilt, könnte er für viele Jahre ins Gefängnis wandern. Doch nun ist der Prozess erst einmal angehalten und damit zumindest um mehrere Monate verzögert. Die Anhörungen des Supreme Courts - die live übertragen werden sollen - finden in der Woche ab Montag, 22. April statt, bis dahin können auch juristische Meinungen eingereicht werden. Die Richter werden nach Angaben des Supreme Court nur die Frage prüfen, ob und inwieweit ein ehemaliger Präsident "Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung für Verhaltensweisen genießt, bei denen es sich angeblich um Amtshandlungen handelt". Ein Urteil wird bis Ende Juni erwartet.
Kritische Juristen sagen, der Supreme Court hätte längst darüber entscheiden können, womöglich sogar müssen, ob Trump immun sei oder nicht. Smith hatte bereits im Dezember darum gebeten. Die nun veröffentlichte Fragestellung öffnet zudem weiteren Verzögerungen Tür und Tor. Die Richter könnten den Fall mit ihrer Antwort zurück an ein anderes Gericht verweisen, das definieren müsste, was von Trumps Verhalten als Amtshandlung gilt und was nicht. All das braucht Zeit.
Laut US-Medien glauben selbst Trumps Anwälte nicht, dass sie den Fall gewinnen können, also Trump komplette Immunität zugesprochen wird. Dies würde etwa bedeuten, dass ein Präsident einen politischen Rivalen ermorden lassen könnte, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden - ein absurdes Argument. Es geht Trump demnach primär darum, den Prozessbeginn so weit wie möglich herauszuzögern.
Wahl im November rückt näher
Sollte der Republikaner im November erneut ins Weiße Haus gewählt werden, könnte er dafür sorgen, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wird. Die Staatsanwaltschaft ist im Justizministerium angesiedelt, das wiederum Teil der US-Regierung ist.
Der Ex-Präsident versucht entsprechend, durch die Immunitätsbehauptung seinen Kopf aus der juristischen Schlinge zu ziehen. Eine niedrigere Instanz in Washington, D.C. hatte seine Behauptungen, er könne nicht strafrechtlich verfolgt werden, einstimmig und mit einer ausführlichen Begründung abgelehnt. Die Gewaltenteilung würde als Folge "zusammenbrechen", heißt es darin. Der Präsident stünde ähnlich wie früher ein Monarch über dem Gesetz.
Statt diese Entscheidung zu bestätigen, mischt sich der Supreme Court jetzt selbst ein. Der Abgeordnete Adam Schiff, seit vielen Jahren ein scharfer Kritiker Trumps, sieht ein Muster. "Er hat es vor seiner Präsidentschaft getan, während seiner Präsidentschaft und nach seiner Präsidentschaft: Verzögerte Rechtsprechung ist verweigerte Rechtsprechung", sagte der Demokrat beim Fernsehsender CNN. Je näher ein möglicher Prozessbeginn an die Wahl im November rückt, desto mehr Gewicht bekommt Trumps Argument, die Anklagen seien eine politisch motivierte "Hexenjagd" gegen ihn.
Quelle: ntv.de