Wahlausschluss oder nicht? Trumps Verteidigung steht fast felsenfest
08.02.2024, 22:58 Uhr Artikel anhören
Die Anhörung wurde nur als Audio-Signal übertragen - diese Zeichnung zeigt John Mitchell (rechts), wie er sich gegenüber den Richtern äußert.
(Foto: AP)
Darf Donald Trump wieder US-Präsident werden? Der Supreme Court hätte viele Fragen auf einmal stellen und den USA viel Durcheinander bis zur Wahl ersparen können. Doch die Richter beschränken sich auf etwas anderes. Trumps Anwalt macht dabei eine gute Figur.
Es gibt noch kein Urteil. Aber der Inhalt sowie die Art und Weise, wie die Obersten Richter in Washington, D.C. den Anwälten von Donald Trump und den Klägern ihre Fragen stellten, lässt bereits einen vorsichtigen Schluss zu: Der Supreme Court tendiert nicht dazu, es den Bundesstaaten zu überlassen, Trump von den Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl 2024 auszuschließen. Dies hatte Colorado getan, auch Maine ging diesen Schritt. In mindestens 35 Bundesstaaten wurde Trumps passives Wahlrecht angezweifelt.
Colorados Oberstes Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass Trump nicht gewählt werden darf. Schließlich habe er die Aufständischen des 6. Januar 2021 unterstützt in ihrem Versuch, beim Sturm aufs Kapitol die Bestätigung des Wahlsiegs von US-Präsident Joe Biden zu verhindern. Ein Verfassungszusatz verbietet demnach dem früheren Amtsinhaber, erneut vereidigt zu werden. Haben die Richter falsch entschieden?
Dies ist die Frage, über die der Supreme Court von Washington, D.C. nun seinerseits urteilen muss. In der Anhörung der Argumente zeigten sich die Richter insbesondere gegenüber den Argumenten der sechs Kläger aus Colorado äußerst skeptisch. Immer wieder bohrten sie nach und behandelten Anwalt Jason Murray teilweise wie jemanden, der zu grün hinter den Ohren ist. Trumps Vertreter John Mitchell hingegen machte einen sehr souveränen Eindruck.
Zu viel Macht für die Bundesstaaten?
In den zwei Stunden der Anhörung wird Mitchell zuerst in die Mangel genommen. Trumps Vertreter zeigt sich überzeugt, es sei der falsche Zeitpunkt, über die Frage zu entscheiden, ob Trump ein Amt bekleiden darf. Zudem sei nicht der Supreme Court zuständig, sondern im Falle eines Wahlsiegs der Kongress. Nur der dürfe Trumps Vereidigung verhindern oder ihn aus dem Amt entfernen. Schließlich sei es übergriffig, wenn ein Bundesstaat das Verfassungsrecht des ganzen Landes interpretiert und so womöglich für alle anderen mit entscheidet.
Bei den Abwägungen dreht sich fast alles um Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes. Dort heißt es, dass niemand erneut ein Amt innehaben darf, der "Mitglied des Kongresses", "officer of the United States" oder Mitglied der Legislative, Exekutive oder Judikative in einem der Bundesstaaten war, und der trotz seines Eids auf die Verfassung sich an einem Aufstand oder einer Rebellion gegen sie beteiligt oder dessen Feinde unterstützt hat. Trumps Anwälte argumentieren, dies betreffe ihren Mandanten nicht. Der Präsident sei mehr als ein "officer of the United States".
Aber sei es nicht seltsam, dass nur der Präsident und sein Vize in dieser Auflistung nicht explizit genannt wird, obwohl er die meiste Macht im Staate hat, fragt eine Richterin - und impliziert damit, dass ein Staatschef als möglicher Feind der Verfassung auch die größte Gefahr für die Demokratie wäre. Es wirkt komisch, dass der Präsident durch dieses Raster fällt, aber so ist es eben", sagte Mitchell an einer Stelle. Eine der Richterinnen fragt, wie er denn argumentieren würde, dass Trump kein Aufständischer sei? Es sei eben keine organisierte Revolte gewesen, sondern chaotisch, so Mitchell. Die ironische Nachfrage: "Weil es chaotisch war, war es also kein Aufstand?"
Wann würde ein Urteil mehr Chaos auslösen?
Danach ist Murray an der Reihe, und jetzt werden manche Richter richtig bissig. Murray argumentiert, die Bundesstaaten könnten ihre Wahlen praktisch abhalten, wie sie wollten, das sei durch die Verfassung gedeckt. Irgendwann fordert er den Supreme Court dazu auf, festzulegen, was als Aufstand gilt. Später wird eine Vertreterin von Colorado sagen, Aufständische sollten schon auf Bundesstaatsebene auf Basis des Verfassungszusatzes von der Wahl ausgeschlossen werden - ebenso wie nach anderen Kriterien wie Alter oder Staatsangehörigkeit.
Das zweifeln mehrere Richter an. Wenn jeder Bundesstaat selbst entscheiden könnte, ob jemand noch passives Wahlrecht habe, wäre das nicht mehr zu handhaben. Murray entgegnet, es wäre noch chaotischer, wenn das Gericht erst darüber entscheidet, ob jemand ein Amt bekleiden darf, wenn schon gewählt wurde. "Damit würden Wähler entrechtet und eine Verfassungskrise geschaffen."
Deshalb brauche es jetzt schnell eine Antwort, fordert der Anwalt der Kläger. "So kann sich jeder sicher sein, bevor er zur Abstimmung geht." Schließlich gehe es darum, das demokratische System zu schützen und nicht denselben Leuten wieder die Macht zu geben. "Deshalb sind wir ja hier, weil Trump 80 Millionen Wähler entrechten wollte."
Am Ende lassen die Richter zunächst die rechtliche Vertreterin der Wahlbehörde in Colorado zu Wort kommen. Es gebe Mechanismen dafür zu bestimmen, ob jemand ein Amt bekleiden darf oder nicht, führt sie aus - "im Zweifel dieses Gericht". Colorado habe die Befugnis, Bewerber und Kandidaten nicht zuzulassen. Der Bundesstaat habe in diesen Vorwahlen auch jemanden ausgeschlossen, weil er kein US-Bürger ist: "It's a feature, not a bug, your honor."
Noch nie hatte sich der Supreme Court mit der Frage eines möglichen Präsidentschaftskandidaten befasst, der an einem versuchten Staatsstreich beteiligt gewesen sein könnte. Nach den Fragen zu urteilen, wird das Gericht darüber höchstwahrscheinlich auch gar nicht befinden - sondern nur darüber, wie weit die legalen Kompetenzen der Bundesstaaten bei landesweiten Wahlen reichen. Beide Seiten erwarten ein Blitzurteil, denn die USA befinden sich mitten im Wahlkampf. Der "Super Tuesday", wenn Colorado und viele weitere Bundesstaaten ihre Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidaten abhalten, ist am 5. März. Bis dahin dürften die Obersten Richter ihre Entscheidung mitgeteilt haben.
Quelle: ntv.de