Hilfsorganisation alarmiert Tausende plündern UN-Lagerhäuser im Gazastreifen
29.10.2023, 12:07 Uhr Artikel anhören
Die UNRWA-Mitarbeiter sind im Gazastreifen im Einsatz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Schon vor dem Hamas-Angriff auf Israel war die Lage im Gazastreifen schlecht, doch nun fürchtet die dort ansässige UN-Hilfsorganisation den Zusammenbruch der "zivilen Ordnung". Das Konvois-System aus Ägypten sei "zum Scheitern verurteilt", heißt es. In Lagerhäusern kommt es bereits zu Plünderungen.
Im Gazastreifen sind dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA zufolge Tausende Menschen in Lager- und Verteilhäuser für Hilfsgüter eingebrochen. Im zentralen und südlichen Gazastreifen hätten sie dabei Weizenmehl und andere Dinge wie Hygiene-Artikel mitgenommen, teilte UNRWA mit. In einem der Häuser sind Hilfsgüter gelagert, die mit humanitären Konvois aus Ägypten in den Gazastreifen gelangen.
"Dies ist ein besorgniserregendes Zeichen, dass die zivile Ordnung nach drei Wochen Krieg und einer festen Belagerung Gazas langsam zusammenbricht. Die Menschen haben Angst, sind frustriert und verzweifelt", erklärte Thomas White, UNRWA-Leiter im Gazastreifen. Die Güter auf Märkten würden knapp und die aus Ägypten kommende Hilfe sei nicht genug. Die Bedürfnisse der Menschen seien enorm - "wenn auch nur für das einfache Überleben".
Die Versorgungslage im Gazastreifen war schon vor Kriegsbeginn sehr schlecht und hat sich durch die laufenden Kämpfe noch verschlimmert. Große Ströme der durch Israels Angriffe vertriebenen Menschen würden den Druck auf Gemeinden im Süden des Gazastreifens noch erhöhen, sagte White. Einige Familien hätten bis zu 50 Verwandte in einem Haushalt aufgenommen.
Lastwagen kommen nur langsam in den Gazastreifen
Über den Grenzübergang Rafah kamen aus Ägypten seit Beginn des Gaza-Kriegs vor drei Wochen Güter von etwa 80 Lastwagen in den Gazastreifen. Wegen des Ausfalls der Internet- und Kommunikationsdienste habe am Samstag kein Konvoi einfahren können. Die Dienste seien inzwischen aber wiederhergestellt. UNRWA hatte deshalb zwischenzeitlich auch Kontakt zu den Mitarbeitern verloren.
Das System der Konvois sei ohnehin "zum Scheitern verurteilt", sagte White. Er sprach unter anderem von "sehr wenigen Lastwagen, langsamen Prozessen, strikten Inspektionen" und Gütern, die den Anforderungen von UNRWA und anderen Hilfsorganisationen nicht gerecht werden würden. Vor allem das Verbot für Treibstofflieferungen lasse das "System scheitern".
Israel lässt derzeit keine Lieferungen von Treibstoff in den Gazastreifen zu. Die Armee argumentiert, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas genug Treibstoffvorräte in Tunneln gebunkert habe, diese aber der Zivilbevölkerung vorenthalte. Die "New York Times" berichtete, dass arabische und westliche Beamte die Vorwürfe für berechtigt hielten. Demnach bunkert die Terrororganisation große Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff für Monate. Israel befürchtet, dass neue Treibstofflieferungen in die Hände der Hamas fallen könnten und dann beispielsweise für die Belüftung und Beleuchtung von Tunneln missbraucht werden könnten.
Unterdessen kündigte Israel an, in den nächsten Tagen Hilfslieferungen in den Gazastreifen drastisch zu erhöhen. Die palästinensischen Zivilisten sollten sich in den Süden des Küstengebiets begeben, rief Oberst Elad Goren von der Koordinierungsabteilung des israelischen Verteidigungsministeriums mit den Palästinensern auf. In der Gegend von Chan Junis im Süden des Gazastreifens gebe es eine humanitäre Zone. "Wir empfehlen den Zivilisten immer noch, sich dorthin zu begeben", sagte Goren. Ob es sich dabei um ein neu eingerichtetes oder bereits bestehendes Gebiet handelt, sagte er nicht.
Quelle: ntv.de, ses/dpa/rts