Politik

"Wir brauchen einen Masterplan" Terror bringt Polizei an ihre Grenzen

In Hessen funktionierte die Zusammenarbeit der Behörden: Die Polizei vereitelte in Oberursel einen Anschlag.

In Hessen funktionierte die Zusammenarbeit der Behörden: Die Polizei vereitelte in Oberursel einen Anschlag.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hunderte gefährliche Islamisten, Hunderte Ermittlungsverfahren: Die Polizei hat mit der Bedrohung durch islamistischen Terror viel zu tun - so viel, dass sie nicht mehr all ihren Aufgaben gerecht werden kann. Immer wieder zeigen sich Schwachstellen - auch bei der Prävention.

Die Sicherheitsbehörden stoßen angesichts der islamistischen Bedrohung an personelle Grenzen. "Natürlich gibt es einen Ressourcenengpass", sagte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch. Die Zahl der islamistischen Gefährder wachse, mittlerweile gebe es mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen Islamisten.

"Gefährder" in Deutschland

Als "Gefährder" gelten Mitglieder der islamistischen Szene, denen die Sicherheitsbehörden zutrauen, dass sie einen Terrorakt begehen könnten. Ihre Zahl ist so hoch wie nie zuvor. Laut BKA und Verfassungsschutz gibt es 289 solcher Personen. 188 haben Bezüge zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS).  Der Verfassungsschutz rechnet mehr als 43.000 Menschen zur Islamisten-Szene in Deutschland.

Das BKA bekomme zwar mehr Stellen für den Kampf gegen den islamistischen Terror. Die Mitarbeiter müssten aber erst eingestellt und ausgebildet werden. "Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren auch zulasten anderer Bereiche Personal umverteilen müssen, um den Kampf gegen den Islamismus zu verstärken. Wir müssen Prioritäten setzen." Auch einige Länder seien sehr belastet durch die Bedrohung aus der Islamisten-Szene.

Die Zahl der islamistischen Gefährder in Deutschland liegt inzwischen bei rund 300. Dies sind Mitglieder der Islamisten-Szene, denen Polizei und Geheimdienste zutrauen, dass sie einen Anschlag begehen könnten. Bislang sind rund 680 Islamisten aus Deutschland Richtung Syrien und Irak ausgereist. Etwa ein Drittel davon ist wieder zurückgekehrt. Bundesweit laufen derzeit mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen 800 Beschuldigte aus dem islamistischen Spektrum.

"Wir können nicht jeden kennen"

Münch sagte, es werde immer schwieriger, die steigende Zahl von Ermittlungsverfahren zu stemmen. "Wir kommen da an Grenzen." Es sei auch nicht möglich, alle 300 Gefährder rund um die Uhr polizeilich zu überwachen. Das gehe schon aus rechtlichen Gründen nicht, aber auch personell sei das nicht machbar.

In einzelnen Ländern gebe es bereits Engpässe bei den Observationskräften, erklärte der BKA-Chef. "Dann muss man entscheiden, ob man in einem Verfahren zur Organisierten Kriminalität Observationskräfte abzieht, weil man sich um einen islamistischen Gefährder kümmern muss." Einige Länder seien dabei, ihre Spezialkräfte auszubauen, damit nicht mittelfristig die Arbeit in anderen Kriminalitätsfeldern leide. Aber das brauche Zeit. Wichtig sei deshalb, dass sich die Polizei im Verbund gegenseitig unterstütze und Kräfte austausche. "Wir sind insgesamt gut aufgestellt bei der Zusammenarbeit", sagte Münch. Aber die Bedrohung durch den islamistischen Terror sei eine große Herausforderung. "Wir tun alles, um dem gerecht zu werden."

Vor wenigen Wochen hatte die Polizei in Hessen zwei Terrorverdächtige festgenommen. Das Paar steht im Verdacht, einen islamistischen Anschlag auf ein großes Radrennen um Frankfurt geplant zu haben. "Gerade die jüngsten Ereignisse zeigen, dass wir die Bedrohung sehr ernst nehmen müssen", sagte Münch. In dem Fall in Hessen habe die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sehr gut funktioniert. Er räumte aber ein: "Wir können nicht jeden kennen. Immer mal wieder stoßen wir auf Personen, die wir vorher nicht auf dem Zettel hatten." Münch forderte deutlich mehr Anstrengungen bei Prävention und De-Radikalisierung. "Wir haben einige gute Projekte und Ansätze in Deutschland, benötigen aber ein übergreifendes System", sagte er. "Wir brauchen einen Masterplan - den sehe ich im Moment noch nicht."

Quelle: ntv.de, asc/dpa

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