Politik

US-Konservative im Dilemma "Trump ist der Anti-Reagan"

"Mit Blick auf Intellekt und Überzeugungen dürfte Donald Trump zu den am schlechtesten informierten Präsidentschaftskandidaten gehören, die wir je hatten."

"Mit Blick auf Intellekt und Überzeugungen dürfte Donald Trump zu den am schlechtesten informierten Präsidentschaftskandidaten gehören, die wir je hatten."

(Foto: REUTERS)

Viele Anhänger von Donald Trump sehen ihr Idol in den Fußstapfen des legendären Ronald Reagan. Stimmt das, ist Trump ein "neuer Reagan"? Absolut lächerlich, sagt einer, der es wissen sollte.

Irgendwann hatte Paul Kengor die Nase voll. Immer wieder erhielt er E-Mails, in denen Donald Trump mit dem früheren US-Präsidenten Ronald Reagan nicht nur verglichen, sondern gleichgesetzt wurde. Eine Mail von einem seiner früheren Studenten gab schließlich den Ausschlag. Der junge Mann schrieb, er höre in Diskussionen mit Trump-Anhängern immer häufiger, dass der "die moderne Entsprechung zu Ronald Reagan" sei.

Für US-Republikaner ist Ronald Reagan, Präsident von 1981 bis 1989, eine Ikone.

Für US-Republikaner ist Ronald Reagan, Präsident von 1981 bis 1989, eine Ikone.

Kengor unterrichtet Politikwissenschaften am Grove City College, einer Hochschule im Bundesstaat Pennsylvania, er ist Experte, wenn es um Reagan geht. Er setzte sich hin und schrieb einen Artikel. Donald Trump, der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner, sei keineswegs der "nächste Reagan", schrieb er, im Gegenteil: "er ist der Anti-Reagan".

Für manche Leser in Deutschland mag das nach einem Kompliment klingen – die meisten Deutschen sehen Reagan wahrscheinlich als Kalten Krieger, der nicht übermäßig intelligent war. Ein Schauspieler, kein Präsident. Einen ähnlichen Ruf hatte Reagan in den USA Anfang der Achtzigerjahre, zu Beginn seiner Präsidentschaft, bei Linken und Liberalen. Trump-Anhänger sehen hier eine Parallele: Beide, der ehemalige Schauspieler und der Milliardär, der seine Bekanntheit vor allem einer Castingshow verdankt, würden von ihren Gegnern unterschätzt. In Wahrheit seien sie beide aber klug, weitsichtig und stark.

Dazu muss man wissen, dass Reagan in den USA höchster Respekt entgegengebracht wird; wenn Listen der besten Präsidenten erstellt werden, steht er in der Regel weit vorn. Unter Republikanern hat Reagan ohnehin den Status einer Ikone. Auch Kengor verehrt seinen Forschungsgegenstand. Das ist auch der Grund, warum er die Gleichsetzung von Reagan und Trump für Frevel hält. Es stimme, sagt Kengor bei einem Telefonat kurz vor der letzten großen Vorwahlrunde, Trump werde als dumm dargestellt und das sei mit Reagan auch so gemacht worden. "Aber bei Reagan waren diese Vorwürfe unfair und falsch. Bei Trump stimmt viel davon. Ihm fehlt ein Verständnis davon, wie Politik funktioniert."

"Einer der am schlechtesten informierten Kandidaten"

Tatsächlich hatte Reagan zwei Amtszeiten als Gouverneur von Kalifornien hinter sich, als er ins Weiße Haus einzog, Trump dagegen hat keinerlei politische Erfahrung. Der Milliardär werde nicht unterschätzt, sondern habe schlicht keine Ahnung, sagt Kengor. "Mit Blick auf Intellekt und Überzeugungen dürfte er zu den am schlechtesten informierten Präsidentschaftskandidaten gehören, die wir je hatten."

Viele Trump-Anhänger vergleichen ihr Idol mit Ronald Reagan. Ausdrücke wie den hier abgebildeten (gemeint ist Hillary Clinton) hätte Reagan allerdings nicht benutzt.

Viele Trump-Anhänger vergleichen ihr Idol mit Ronald Reagan. Ausdrücke wie den hier abgebildeten (gemeint ist Hillary Clinton) hätte Reagan allerdings nicht benutzt.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Es gehört zu den Paradoxien dieses Vorwahlkampfes, dass Trump viele begeisterte Anhänger hat, er zugleich von vielen US-Amerikanern jedoch genauso kritisch gesehen wird wie von Kengor. In einer aktuellen Umfrage des konservativen Senders Fox News sagten kürzlich 59 Prozent, Trump habe nicht das Wissen, das man braucht, um Präsident zu werden. 62 Prozent sagten, er habe nicht das nötige Temperament.

Wohl nicht zufällig hat Trump seinen Wahlkampfslogan bei Reagan abgekupfert. Trumps Motto lautet: "Make America Great Again!" Weniger befehlsartig kam Reagans Slogan von 1980 daher: "Let's Make America Great Again", ohne Ausrufungszeichen. Ansonsten macht Trump bislang keinen Wahlkampf mit einer besonderen Nähe zu dem republikanischen Übervater. Mit einer Ausnahme: In den Vorwahlen verwies er ein paar Mal darauf, dass auch Reagan zunächst ein Demokrat gewesen sein, bevor er Republikaner wurde. Das war es dann aber auch.

Über die Motive für diese Zurückhaltung kann man nur spekulieren. Ein möglicher Grund: Reagan war 69 Jahre alt, als er vereidigt wurde. Trump feiert an diesem Dienstag seinen 70. Geburtstag. Wenn er gewählt wird, löst er Reagan als bislang ältesten US-Präsidenten ab (die Demokratin Hillary Clinton, die im Oktober 69 wird, käme hinter Reagan auf Platz zwei). Möglicherweise will Trump vermeiden, dass sein hohes Alter als Parallele genannt und damit thematisiert wird.

"Amerikanische Konservative sind nicht ausländerfeindlich"

Nicht ganz unwahrscheinlich ist auch, dass Trump viel zu selbstverliebt ist, um sich mit einem anderen Politiker zu vergleichen. Wer jemals nur wenige Minuten einer Trump-Rede gesehen hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Mann sich für den genialsten Menschen aller Zeiten hält. Schließlich ist denkbar, dass Trump – oder wenigstens seinen Beratern – klar ist, dass es nicht wenige Konservative in den USA gibt, die jeden Vergleich zwischen Reagan und Trump mit Empörung zurückweisen. Wie eben Kengor. Die Vorstellung, Trump sei ein "neuer Reagan", sei "absolut lächerlich", sagt er n-tv.de.

"Reagan war patriotisch, aber er war kein Ultranationalist", erklärt Kengor mit Blick auf Trumps Forderungen, eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu errichten und keine Muslime in die USA zu lassen. Reagan sei niemand gewesen, "dem es darum ging, Grenzen zu schließen". Kengor verweist auf die Abschiedsrede des Präsidenten vom Januar 1989. Darin benutzte Reagan das berühmte Bild der "City upon a Hill" – eine alte Metapher, mit der Größe und Anziehungskraft der USA beschrieben werden. "Wenn es Stadtmauern geben muss", sagte Reagan damals, "dann haben diese Mauern Türen, und die Türen sind für alle offen, die den Willen und das Herz haben, dorthin zu gelangen."

Trump ist aus Kengors Sicht nicht nur kein zweiter Reagan, sondern nicht mal ein Konservativer. "Amerikanische Konservative sind keine Ultranationalisten. Sie sind nicht ausländerfeindlich, sie sind nicht rassistisch." Viele Konservative in den USA hätten derzeit Angst, dass Trump versuche, den Konservatismus umzudefinieren, dass er ihn eben doch ausländerfeindlich und ultranationalistisch mache. "Sie haben Angst, dass Trump den Konservatismus kapert."

Es ist vor allem Trumps Hass und seine Negativität, die echten Konservativen wie Kengor missfallen. Reagan habe ein elftes Gebot gehabt, schreibt der Politologe in seinem Artikel. "Du sollst nicht schlecht über einen anderen Republikaner sprechen." Trump scheine ebenfalls ein elftes Gebot zu haben: "Du sollst immer schlecht über andere Republikaner sprechen."

Kengor wird Trump auf keinen Fall wählen. Er kann sich aber auch nicht überwinden, Hillary Clinton seine Stimme zu geben. "Mir ist klar, dass es Hillary Clinton hilft, wenn ich nicht für Trump stimme." Das nimmt er in Kauf. Glaubt man dem Sohn von Ronald Reagan, dann ist Kengor damit in guter Gesellschaft. Würde sein Vater noch leben, twitterte Michael Reagan vor ein paar Tagen, dann wäre dies höchstwahrscheinlich das erste Mal, dass er einen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner nicht unterstützt hätte.

Quelle: ntv.de

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