Politik

"Er war wie eine Krake" Trumps schlimmste Woche

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(Foto: REUTERS)

Grapschen nach Brüsten und Hintern, unerlaubte Küsse: Bei Trumps "Umkleidekabinengerede" handelt es sich offenbar doch nicht nur um Worte. Wie ein US-Präsidentschaftskandidat demontiert wird - und sich selbst demontiert.

Auf das Cover des neuen "Time"-Magazins hat Donald Trump es noch einmal geschafft. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Im August hatte die US-Zeitschrift eine Karikatur des republikanischen Präsidentschaftskandidaten gezeigt. Auf dessen Einbruch in den Umfragen anspielend titelte sie "Meltdown", was so viel heißt wie Zusammenbruch. Jetzt gibt es die Fortsetzung. Auf dem neuen "Time"-Cover hat sich Trumps Gesicht fast zur Unkenntlichkeit aufgelöst. Übrig bleibt nur noch eine Pfütze, eine zerlaufene Fratze. Die Überschrift: "Total meltdown". Der totale Zusammenbruch.

Schon im August hatte Trumps Kampagne einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Zwei Monate später hat sich die Lage deutlich verschärft. Trumps Aussichten, Barack Obama als US-Präsidenten abzulösen, sind schlechter denn je. Das liegt vor allem daran, dass diese zweite Oktoberwoche wohl die schwärzeste in Trumps Wahlkampf gewesen ist. Möglicherweise wird es am Ende die sein, die die Wahl am 8. November mitentscheidet.

Aber von vorn: Vor einer Woche wurde ein Video von 2005 veröffentlicht, indem Trump sich damit brüstet, wie ungeniert er Frauen behandelt und begrapscht. "Als Star kannst du dir alles leisten, du kannst ihnen zwischen die Beine greifen", sagt er darin. Die Veröffentlichung kommt ausgerechnet zwei Tage vor der zweiten TV-Debatte. Trump veröffentlicht eine Entschuldigung, die von vielen als halbherzig empfunden wird. Denn vor allem entschließt er sich zum Gegenangriff. Kurz vor der Veranstaltung gibt er eine Pressekonferenz mit mehreren Frauen, die Clintons Ehemann Bill der sexuellen Belästigung bezichtigen. Als Trump in der Debatte auf seine vulgären Äußerungen von vor elf Jahren angesprochen wird, entschuldigt er sich erneut und relativiert die Vorwürfe. Der Milliardär spricht von "Umkleidekabinengerede", wirklich gemacht habe er so etwas nie. Dann geht er zum Angriff auf den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton über. Dieser sei "viel schlimmer" gewesen als er. "Bei mir waren es Worte, bei ihm Taten", sagt Trump.

Kann so jemand US-Präsident werden?

Wenige Tage später gibt es große Zweifel, ob das stimmt. Verschiedene US-Medien veröffentlichen Artikel, in denen Frauen Trump sexuelle Belästigung vorwerfen. Die Geschäftsfrau Jessica Leeds berichtet in der "New York Times", wie Trump sie während eines Flugs vor 35 Jahren an die Brüste gefasst und versucht habe, ihr unter den Rock zu greifen. "Er war wie eine Krake. Seine Hände waren überall", sagt sie. Rachel Crook, eine frühere Empfangsmitarbeiterin im Trump Tower, wirft Trump vor, sie 2005 vor einem Fahrstuhl auf den Mund geküsst zu haben. Natasha Stoynoff, Journalistin der Zeitschrift "People", sagt, Trump habe sie 2005 bei einem Treffen für eine Reportage an die Wand gedrückt und die "Zunge in meine Kehle gepresst".

Trump und sein Umfeld weisen die Vorwürfe zurück. Von "Fiktion" ist die Rede, "nichts von dem ist jemals passiert", teilt sein Wahlkampfteam mit. Trump wittert einen politisch motivierten Angriff der "New York Times" und kündigt eine Verleumdungsklage an. Zeitungs-Vizechef David McCraw erwidert, wenn Trump meine, seine Kritiker müssten "still sein oder bestraft werden", dann begrüße die Zeitung "die Gelegenheit, dass ein Gericht ihn eines Besseren belehrt".

Die Situation ist denkbar ungünstig für Trump. Er, der alle seiner Gegner im Wahlkampf so oft der Lüge bezichtigt hat, steht im Verdacht, selbst die Unwahrheit gesagt zu haben. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, aber es ist ein sensibles Thema. Kann so jemand US-Präsident werden? Einige der wichtigsten Spender distanzierten sich in dieser Woche von Trump und forderten die Parteiführung auf, ihn fallen zu lassen. Auch in der Partei sind die Auflösungserscheinungen nicht zu übersehen. Bereits nach der Videoveröffentlichung des Videos vor einer Woche wandten sich führende Republikaner ab. Trumps Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence sagte: "Als Ehemann und Vater war ich empört über die Worte und die von Donald Trump beschriebenen Handlungen." Trump reagierte trotzig. Öffentlich attackierte er Politiker seiner Partei wie Paul Ryan, den Sprecher des Repräsentantenhauses.

"Ein sehr gefährlicher Mann"

Trump haut um sich, wohl auch aus Wut über die eigene Situation. In einer Rede in Ohio sagte er am Donnerstag über die Belästigungsvorwürfe: "Ich habe diese Menschen nie getroffen. Ich weiß noch nicht mal, wer sie sind. Die Geschichten sind erfunden." Seine Kontrahentin Hillary Clinton muss in ihrem Wahlkampf derweil eigentlich gar nicht viel machen. Dass sie bei den US-Amerikanern unbeliebt ist, dürfte am Ende nicht entscheidend sein. Trump zieht die Aufmerksamkeit so stark auf sich, dass er von Clinton und ihren Verfehlungen wie der E-Mail-Affäre immer wieder ablenkt. Folgenschwerer sind die Ausfälle Trumps. Der Republikaner konnte bisher viel vorhandenen Frust in der Bevölkerung aufgreifen. Aber Inhalte spielen im US-Wahlkampf so gut wie gar keine Rolle. Das liegt auch daran, dass Trump so polarisiert.

In neuen Umfragen zeigt sich, dass der 70-Jährige durch die Belästigungsvorwürfe an Zuspruch einbüßt und Clinton ihren Vorsprung ausbauen kann. Anfang Oktober lagen beide noch fast gleichauf, inzwischen sieht selbst der konservative Sender Fox News Clinton acht Prozentpunkte vorn. In wichtigen Bundesstaaten wie Ohio, North Carolina, Michigan und Pennsylvania legte sie ebenfalls zu. Im Mormonen-Staat Utah, eigentlich traditionell in den Händen seiner Partei, stürzte Trump auf 26 Prozent ab. Evan McMullin - Republikaner, aber unabhängiger Kandidat – kletterte auf 22 Prozent. Dass Trump in dieser Woche sein Engagement im wichtigen Wechselwähler-Staat Virginia deutlich zurückgefahren hat, wurde von Beobachtern fast schon als Kapitulation gewertet.

Bei Twitter und in seinen Reden gibt Trump sich kämpferisch. Spannung birgt vor der Wahl aber wohl allenfalls noch die Frage, wie er die Sache zu Ende bringt. Und vor allem mit wie viel Anstand. Trump-Biograf Wayne Barrett warnte im Magazin "Politico", der Präsidentschaftskandidat halte sich nun für ein Opfer der Medien und des republikanischen Establishments. "Ich glaube, dass er in den nächsten drei oder vier Wochen ein sehr gefährlicher Mann sein wird." In vielen seiner Wahlveranstaltungen spricht Trump von manipulierten Wahlen, er forderte seine Anhänger mehrfach auf, vor Wahllokalen Wache zu schieben. Wenn er Clinton am 8. November unterliegen sollte, wird er die Schuld sicherlich nicht bei sich suchen. Trump als guter Verlierer? Kaum vorstellbar. Nach dieser Woche spricht jedoch viel dafür, dass er sich darauf einstellen sollte.

Quelle: ntv.de

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