Politik

Immenser Betrug bei Coronahilfen US-Kontrolleure vermissen Milliarden Dollar

Hunderttausende Anträge in den USA enthielten falsche Angaben.

Hunderttausende Anträge in den USA enthielten falsche Angaben.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Im ersten Jahr der Pandemie greift die US-Regierung schnell und ohne wirkliche Kontrolle den Kleinunternehmern finanziell unter die Arme. Doch etwa 84 Milliarden Dollar hätten wohl gar nicht ausgezahlt werden dürfen. Die Aufklärung des riesigen Betrugs könnte Jahre dauern.

Als vor zwei Jahren die Corona-Pandemie begann, wurde das öffentliche Leben auf ein Minimum heruntergefahren. Regierungen in aller Welt verhängten drastische Maßnahmen, um die Risiken so klein wie möglich zu halten. Niemand wusste wirklich, wie das Virus sich verbreitete. Wie tödlich es war. Vielen Unternehmen brachen Kunden, Aufträge und damit die Einnahmen weg.

Um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, beschloss auch die US-Regierung im März 2020 unter anderem historisch hohe Finanzhilfen für Einzelunternehmer und kleine Firmen. Das staatliche Defizit belief sich auch deshalb in den Jahren 2020 auf 3,13 Billionen und 2021 auf fast 2,78 Billionen Dollar. In den Jahren zuvor war es deutlich weniger. Die Auszahlung lief unkompliziert. Insgesamt zahlten die Vereinigten Staaten mehrere Billionen US-Dollar über Hilfsprogramme und Kredite aus, davon eine Billion an Kleinunternehmen. Nun wird immer deutlicher, dass dies nicht wenige ausnutzten und sich Geld erschlichen.

Eines der wichtigsten Programme gegen die Pandemiefolgen waren Lohnbeihilfen im Rahmen des Paycheck Protection Program (PPP). Es lief am 31. Mai 2021 aus. Mit dem Geld sollten Arbeitgeber die Gehälter ihrer Angestellten, Mieten und andere Kosten mit abdecken. Der staatlichen Kredite haben eine Laufzeit von zwei Jahren bei einem Zinssatz von 1,0 Prozent. Sie müssen nur zurückgezahlt werden, wenn sie nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums für diese Zwecke ausgegeben werden. Die Behörde Small Business Administration (SBA) war sowohl für die Auszahlung des PPP zuständig - etwa 800 Milliarden Dollar -, als auch für Soforthilfen an Selbstständige. Die US-Behörden beziffern die erschlichenen Finanzhilfen bislang auf insgesamt rund 84 Milliarden Dollar.

Urteile und Gefängnisstrafen

Die Fälle sollen im Detail geprüft werden.

Die Fälle sollen im Detail geprüft werden.

(Foto: REUTERS)

Manche machten aus den Anträgen ein Geschäft. Zuletzt verurteilte ein Gericht im Bundesstaat North Carolina mehrere Männer wegen verschwörerischem Betrugs, den Kopf der Gruppe zu sieben Jahren Gefängnis. Die Männer hatten absichtlich falsche Angaben gemacht und sich so 2,7 Millionen Dollar erschlichen. Davon kauften sie Luxusartikel und hoben das Geld für ihren Privatgebrauch ab. Ein anderer Mann erhielt allein über 4 Millionen US-Dollar von der SBA. Er kaufte sich davon teure Neuwagen und verteilte Geld unter Bekannten. Im April soll das Urteil gesprochen werden. Auf das Vergehen stehen bis zu 30 Jahre Haft. Das US-Justizministerium veröffentlicht auf seiner Seite immer wieder ähnliche Urteile.

Die Behörde hatte schnell gezahlt. Zu schnell, sagen Kritiker, und ohne Vorsichtsmaßnahmen. Das Problem war schon Mitte 2020 bekannt; Artikel beschrieben, wie einfach das System auszutricksen war, auf Youtube gab es sogar Anleitungen dazu. Prüfern zufolge zahlte die SBA auch an solche, die mit gestohlenen Identitäten arbeiteten. Hunderttausende Anträge waren fehlerhaft oder gefälscht. Einzelunternehmer gaben in den Dokumenten für Soforthilfe etwa an, Angestellte zu haben, die es gar nicht gab; in fünfzehn Fällen sogar mit der absurden Angabe von einer Million Beschäftigten, wie die "New York Times" schreibt. So viele Angestellte haben Konzerne wie Amazon oder Walmart.

SBA zahlte an Einzelunternehmer maximal 1000 Dollar, aber je 10 Beschäftige nochmals 1000 Dollar mehr. Das Maximum lag bei 10.000 Dollar. Die 20 verfügbaren Milliarden Soforthilfen waren nach 14 Wochen aufgebraucht. Fast ein Viertel davon wurde offenbar unberechtigterweise ausgezahlt oder erschlichen, von insgesamt über 700.000 Personen erhielten mehr als die Hälfte die vollen 10.000 Dollar. Der Fehler war offensichtlich: Die Antragssteller mussten nicht die Arbeitgebernummer ihres Unternehmens angeben, über die auch Angestellte registriert sind, sondern ihre persönliche Sozialversicherungsnummer.

"Kann Jahre dauern"

Die Behörde hielt sich zudem nicht an die eigenen Regeln. Hunderte Antragssteller gaben an, mehr als 500 Angestellte zu haben. Damit wären sie keine Kleinunternehmer mehr gewesen. Der Leiter der internen Behördenaufsicht gab an, dass die SBA vor Auszahlung der Hilfen "nie zusätzliche Informationen von diesen Selbstständigen angefordert habe, um die Zahl der Angestellten zu überprüfen".

Allein wegen der gefälschter Anträge bei den Soforthilfen wurden 5,2 Milliarden Dollar ausbezahlt. Berechtigt wären 704 Millionen Dollar gewesen. In einem Bericht an den Kongressausschuss für Kleinunternehmen hieß es im Januar, die Behörde versuche noch, die wahren Ausmaße des Betrugs zu verstehen. Die Aufklärung könne noch viele Jahre dauern.

"Der immense Betrug, der während der Pandemie stattfand, insbesondere bei Krediten für Kleinunternehmen und Arbeitslosenversicherung, ist zweifellos die größte Herausforderung der Aufsichtsbehörden, den die Regierung von [Präsident Joe] Biden geerbt hat", sagte ein Verantwortlicher der "Washington Post". Nun geht es darum, ob und wie die Behörden ihre rund 84 Milliarden Geld aus PPP und Soforthilfen wieder zurückbekommen können. Dafür müssen die Prüfer jede Zahlung unter die Lupe nehmen und Nachweise von den Antragsstellern anfordern. Es ist eine Sisyphusaufgabe, die in manchen Fällen schlicht unmöglich sein dürfte.

Quelle: ntv.de

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