Romneys Ex-Gegner als Vizepräsidenten Ruf auf die Kommandobrücke
28.05.2012, 21:50 Uhr
(Foto: REUTERS)
Auf der Suche nach einem Vizepräsidenten wird Romney auch das Feld seiner ehemaligen Konkurrenten sichten. Große Chancen haben jedoch nur wenige, schließlich sind die Anforderungen hoch. So darf Romneys Co-Pilot weder zu abwegig noch zu einseitig sein, außerdem muss er konservative Wähler ansprechen, ohne dabei moderate Amerikaner zu verschrecken.
"Höchst unwahrscheinlich". So bezeichnet Newt Gingrich selbst seine Chancen auf den Posten als Vizepräsident in einer möglichen Romney-Regierung. Dass er den Job machen würde, wenn er ihn angeboten bekäme, hat er trotzdem schon mal im Voraus angekündigt. Denn sollte Mitt Romney tatsächlich unter seinen ehemaligen Vorwahl-Gegnern nach einer geeigneten Nummer Zwei suchen, Gingrich wäre zumindest eine Überlegung wert - wenn auch nur eine kurze.
Denn auf den Anruf des republikanischen Herausforderers von Präsident Barack Obama wartet zurzeit eine ganze Reihe seiner Parteikollegen. Für die Teilnehmer der langen Vorwahlen spricht, dass sie landesweit bekannt sind, Romney inzwischen fast geschlossen unterstützen und sich klare politische Profile erarbeitet haben. Mit letzterem sind sie jedoch auch klar gescheitert: Mal waren sie zu abseitig, wie Michelle Bachmann, mal zu einseitig, wie Rick Santorum.
Dabei sucht Romney einen Co-Piloten, der seine Stärken betont und seine Schwächen ausgleicht. In Romneys Fall bedeutet das: Der Vize muss glaubhaft die Macht der freien Märkte preisen und niedrige Steuern unterstützen, gleichzeitig aber auch konservative Wähler ansprechen, ohne dabei moderate Amerikaner zu verschrecken.
Bachmann: Die nächste Palin?
Wer also darf sich Hoffnung machen auf den Platz im United States Naval Observatory, der Residenz des amerikanischen Vizepräsidenten?
Michelle Bachmann jedenfalls nicht, sie hat sich kurz nach ihrem Ausstieg aus dem Rennen der Wiederwahl zum Kongress gewidmet. Allerdings dürfte die adrette Politikerin und Mutter von 23 Adoptivkindern auch kaum für eine Wiederholung des Sarah-Palin-Moments von 2008 infrage kommen. Nachdem damals John McCain mit der exzentrischen Gouverneurin von Alaska scheiterte, wird Romney kaum den selben Fehler machen. Bachmann ist trotz ihrer vier Jahre als Abgeordnete in Washington recht unerfahren und wird innerhalb der Partei lediglich von Anhängern der radikalen Tea Party verehrt. Die aber hat Romney - mit viel Mühe - bereits für sich gewonnen. Moderate Wähler allerdings, die Romney dringend braucht, dürften von der streitbaren Bachmann eher abgeschreckt werden.
Huntsman: Heimspiel für Mormonen?
Die würden sich wohl eher durch einen Mann wie Jon Huntsman angesprochen fühlen. Der zweite Mormone im Vorwahlkampf hat Ähnlichkeiten mit Obamas Vize Joe Biden: beide sind politisch erfahren und vor allem außenpolitisch versiert. Huntsman blickt auf mehrere erfolgreiche Jahre als Gouverneur in Utah zurück, dazu auf eine Karriere als Diplomat in China.
Doch in der stark radikalisierten republikanischen Partei hat sich Huntsman schnell als unwählbar erwiesen: Zu moderat, zu wenig ideologisch. Mit dem wichtigen evangelikalen Block der konservativen Partei hat er kaum Berührungspunkte - ähnlich wie Romney, der sich deswegen eher einen Partner aus dem rechten Lager suchen wird.
Cain und Perry: Pizza oder Barbecue?
Abtreibung bis Caucus
Delegierte bis F-Wort
Gesundheitsreform bis Iowa
Luftkrieg bis Obama
President-elect bis Swing States
Tea Party bis Zukunft
Auch Herman Cain, der schillernde Pizzaketten-Tycoon, wird wohl vergeblich auf Romneys Anruf warten. Der einzige afro-amerikanische Republikaner in den Vorwahlen hat sich mit einer Kombination aus privaten Sex-Eskapaden und inhaltlichen Schwächen disqualifiziert. Außerdem hatte sich Cain nach seinem Ausscheiden auf die Seite von Newt Gingrich geschlagen. In bissigen Polit-Geschäft der USA gilt das als Todsünde.
Rick Perry, der Koyoten-Jäger aus Texas, wird wohl ebenfalls seinen Job als Gouverneur von Texas behalten. Zwar ist der Bush-Nachfolger im "Lone Star State" an der Parteibasis beliebt, nicht zuletzt wegen seines rauen Cowboy-Charmes und seiner volksnahen Sprechweise. Allerdings hat sich Perry früh als ungeeignet für die nationale Bühne erwiesen: Verbale Ausrutscher und ein chaotischer Wahlkampf zwangen ihn überraschend früh zur Aufgabe. Dabei könnte Perry Romney vor allem in den ländlichen Regionen des Südens und Mittelwestens helfen, dort, wo der smarte Multimillionär in den Vorwahlen die meisten Probleme hatte. Aber Perry hat frühzeitig abgewunken. "Ich hab' hier [in Texas] den besseren Gig, danke."
Gingrich: Chance für den Mondmann?
Bleiben nur noch und . Der ehemalige Sprecher des US-Abgeordnetenhauses bringt im Vergleich dass weniger attraktivere Paket mit. Zwar konnte sich Gingrich in den Vorwahlen mehrfach als rhetorisch versierter Debattenexperte auszeichnen. Allerdings würde er dieses Talent im weiteren Wahlkampf kaum einsetzen können: Mit Obamas Vize Joe Biden wird er sich nur ein Mal duellieren, und das Gespräch hat traditionell wenig Einfluss auf die Wählermeinung. Außerdem gewann er bei den Vorwahlen nur in seiner Heimat Georgia und in South Carolina, zwei Südstaaten, die Romney im Herbst wohl sicher hat. Gingrich fehlt damit eine große Wählergruppe, die er als Verhandlungsmasse einsetzen kann.
Auch als Spendensammler ist der Mann, der im Wahlkampf eine Mondbasis für die USA versprach, kaum zu gebrauchen. Er selbst war abhängig von Kasino-Milliardär Sheldon Adelson, bis dieser die Zahlungen stoppte. Heute hat Gingrich mehrere Millionen Dollar Schulden.
Santorum: Outsourcing an den Bibeltreuen?
Das gilt, wenn auch im geringeren Maße, für Santorum. Doch der Erzkonservative punktet - im Vergleich zu allen anderen Kandidaten - mit einem großen Vorteil: Ihm folgt der tief religiöse Teil Amerikas. Der ehemalige Senator von Pennsylvania hat sich im Vorwahlkampf als Stimme gegen Abtreibung, Gleichberechtigung von Homosexuellen und das staatliche Bildungswesen etabliert. Vor allem im Süden und Mittelwesten, wo Romney keinen Staat verlieren darf, ist er damit erfolgreich gewesen.
Den erzkonservativen, christlich-geprägten Teil der republikanischen Parteibasis spricht Santorum mehr an als Romney. Der wiederum könnte den Katholiken Santorum als ideologische Dampframme gegen Obamas Unterstützung der gebrauchen – und damit den Fakt vergessen machen, dass er einst als Gouverneur durchaus liberaler eingestellt war, als es heute den Anschein macht. Mit Santorum als rechtes Sprachrohr hätte Romney mehr Platz für seine Kernkompetenz, die Wirtschaft. Soziale Konfliktthemen hätte der frühere Investmentmanager damit geschickt outgesourct.
Bis zum großen Nominierungsparteitag im August muss sich Romney spätestens entscheiden. In seiner Partei gibt es jedenfalls schon einen klaren Trend. Bei einer Umfrage Anfang Mai bekamen registrierte republikanische Wähler 19 mögliche Vize-Kandidaten zur Auswahl. Einer von ihnen erhielt mit 18 Prozent der Stimmen den größten Zuspruch: Santorum.
Quelle: ntv.de