Kampf um den "Sunshine State" Florida ist für Trump wahlentscheidend
03.11.2020, 14:02 Uhr
Wahlkampfendspurt in Florida
(Foto: imago images/ZUMA Wire)
Überdurchschnittlich viele Rentner, Latinos und Unentschlossene: Die Wählergruppen im US-Bundesstaat Florida sind nicht nur sehr vielfältig, sondern könnten auch wahlentscheidend sein. Der "Swing State" steht im Fokus der Wahlnacht.
Wenn es nach den Auftritten und der Lautstärke der Anhänger geht, würde Florida an Donald Trump gehen. Mit "Trump 2020"-Plakaten schmücken die Unterstützer des US-Präsidenten seit Wochen die Straßen und Wasserwege Floridas. Sehr zur Freude des Amtsinhabers. Denn er weiß: Für eine zweite Amtszeit braucht er die Stimmen in dem "Swing State".
Den Umfragen zufolge hat sein Herausforderer Joe Biden in Florida die Nase knapp vorn. Kurz vor Schluss erhielt er dort nochmal prominente Unterstützung. Der frühere US-Präsident Barack Obama rief am Montag bei einer Veranstaltung in Florida dazu auf, Trump abzuwählen. Über seinen ehemaligen Vizepräsidenten sagte Obama: "Er hat mich zu einem besseren Präsidenten gemacht."
Sollten die Menschen dieser Wahlempfehlung folgen, könnte Trump eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft wohl vergessen: Ohne Florida ist ihm die Wahlniederlage so gut wie sicher. Hinzu kommt, dass seit fast 100 Jahren kein Republikaner mehr die US-Wahl gewinnen konnte, ohne im "Sunshine State" zu siegen. Für Trump Grund genug, alles auf Florida zu setzen. Der US-Präsident meldete sogar seinen Wohnsitz dort an und hofft auf einen Heimvorteil.
Auch für Biden wäre eine Niederlage in Florida schmerzhaft. Er könnte sie aber wettmachen, indem er vier andere hart umkämpfte "Swing States" aus der Gruppe Arizona, Michigan, North Carolina, Ohio, Pennsylvania oder Wisconsin gewinnt.
Hart umkämpfte Wählergruppen
Florida gilt als Rentner-Paradies. Daher gehören die Ruheständler zur stark umworbenen Wählergruppe des Bundesstaats. Während Trump kurz vor der Wahl 2016 bei den Senioren noch 9 Prozentpunkte vor Clinton lag, führt Biden in diesem Jahr die "Rentner-Umfrage" deutlich mit 27 Punkten an. Das Vertrauen der Senioren hat Trump vor allem im Umgang mit der Corona-Pandemie verloren. Zwar bekräftigt der Präsident regelmäßig, er wolle "seine Senioren" beschützen, doch die Infektions- und Todeszahlen lassen die Wähler an seinem Krisenmanagement zweifeln. Biden versucht bei seinen Auftritten in Florida daher auch, die ältere Wählerschaft immer wieder an die Gefahr von Trumps Corona-Politik zu erinnern: "Ihr seid entbehrlich. Ihr seid niemand. So sieht Trump euch!"
Neben den Senioren fallen in Florida vor allem die Stimmen der Wähler mit lateinamerikanischen Wurzeln ins Gewicht. Nach Trumps harter Migrations-Politik und seinen immer wiederkehrenden harschen und rassistischen Äußerungen über Hispanics sollte man eigentlich meinen, dass ihm von den 32 Millionen Latinos in den USA keine Stimme sicher ist.
Doch in Florida sieht das anders aus. Die Wählergruppe der Latinos ist dort traditionell stark konservativ. Viele von ihnen sind überzeugte Unterstützer Donald Trumps. Die Gründe dafür sitzen tief: Zum einen haben fast ein Drittel der wahlberechtigten Latinos in Florida kubanische Wurzeln. Nach der Flucht vor dem kommunistischen Castro-Regime sehen die Exilkubaner in Trump vor allem den Anti-Sozialisten. Zum anderen spielt auch die Religion eine große Rolle. Die meisten Latinos sind strenge Katholiken und unterstützen die Position der Republikaner in der Abtreibungsfrage.
Dunkle Schatten über den "Sonnenschein-Staat"
Auch wenn die Umfragen Biden in Florida vor Trump sehen, gibt es eine gute Nachricht für den Präsidenten: Florida mag Amtsinhaber. Seit 40 Jahren hat der US-Bundesstaat nicht mehr gegen einen amtierenden Präsidenten gestimmt - egal ob Demokrat oder Republikaner. Die schlechte Nachricht für Trump: die aktuelle Lage.
Der "Sunshine State" befindet sich wirtschaftlich im freien Fall. Durch die Corona-Pandemie mussten knapp 100.000 Unternehmen dauerhaft schließen, zwischen März und August haben in dem Bundesstaat rund 3,5 Millionen Menschen Arbeitslosengeld beantragt.
Florida wieder Schauplatz des Wahl-Showdowns?
Dass es in Florida spannend wird, ist alles andere als neu. Schon oft gab ein nur knapper Stimmenvorsprung in dem Bundesstaat den Ausschlag einer Präsidentschaftswahl. Obama gewann 2012 in Florida mit nur 0,9 Prozentpunkten vor dem damaligen republikanischen Kandidaten Mitt Romney. 2016 wurde es ähnlich knapp, Trump kam auf nur 1,3 Punkte mehr als die Demokratin Hillary Clinton. Doch die womöglich bekannteste Rolle Floridas bei einer US-Wahl spielte sich im Jahr 2000 ab, als die Präsidentschaftswahl zwischen Al Gore und George W. Bush in eine nervenaufreibende Verlängerung ging.
Alle Augen richteten sich damals auf Florida, auf seine fehlerhaften Wahlautomaten und chaotischen Auszählungsmethoden. Über einen Monat zog sich das anschließende juristische Verfahren, bis das oberste Gericht, der Supreme Court, sich in letzter Instanz einmischen und entscheiden musste. Das Gericht war damals - wie heute - mehrheitlich mit konservativen Richtern besetzt und verbot eine erneute Nachzählung der Stimmen. Damit wurde George W. Bush mit einer umstrittenen Differenz von 537 Stimmen Sieger in Florida und nur deshalb auch Sieger der US-Wahl. Einen solchen Wahlausgang würde sich Trump wohl auch dieses Jahr wünschen.
Quelle: ntv.de