US-Wahl 2020

Biden bewahrt Haltung und Würde Trump höhlt die Demokratie weiter aus

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Obwohl die Auszählung noch nicht beendet ist, erklärt sich Donald Trump zum Sieger der US-Präsidentschaftswahl. Damit führt er sich genauso schlimm auf wie befürchtet. Der Zusammenhalt seines Landes ist ihm augenscheinlich egal.

Der Albtraum geht weiter, er ist stärker als alle Träumereien von einem großen, landesweiten Sieg von Joe Biden. Der Albtraum, er wird Zug um Zug Wirklichkeit: Donald Trump hat sich zum Sieger ausgerufen, obwohl noch ausgezählt wird. Er will vor dem Obersten Gericht die Auszählung stoppen lassen, weil er derzeit besser dasteht als erwartet.

In der Realität hat Donald Trump gute bis ausreichend gut Aussichten, diese Wahl auf ganz normalem Weg zu gewinnen. Aber seine Realität ist eine eigene, eine ganz andere. Da sind ordentliche Verfahren etwas für Verlierer und Großmäuligkeit gewinnt. Was soll er auch anderes denken, könnte man einwenden, diese Haltung hat ihn an die Schwelle zur zweiten Amtszeit geführt. Die Hälfte des Landes steht hinter ihm, seine Hälfte des Landes.

Stattdessen ist es Joe Biden, der die Nerven verlieren müsste, denn er braucht - Stand jetzt - ein Wunder bei den Briefwahlstimmen, die in den entscheidenden Bundesstaaten noch ausstehen. Es ist die Demokratische Partei, die sich fragen lassen muss, warum ein sehr alter weißer Mann alles war, was sie gegen Donald Trump aufzubieten wusste. Immerhin, Joe Biden bewahrt jene Haltung und Würde, die eine freie Wahl im mächtigsten Land der Welt verdient. Es wird also genauso eng, wie befürchtet. Und Donald Trump führt sich genauso schlimm auf, wie befürchtet.

Trump und der Hass auf "die da oben"

Die irreführende Klarheit der Demoskopen zugunsten Bidens entstand aus dem allzu simplen Zusammenzählen denkbar knapper Vorsprünge in den Wahl-entscheidenden Bundesstaaten. Jeder Vorsprung für sich genommen war wenig beeindruckend, aber als aggregierte Liste ergaben sie 90 Prozent Siegeschancen für Joe Biden, die Aussicht auf einen "Erdrutsch-Sieg". Nicht falsch gerechnet also, aber falsch gedacht.

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Von einem Versagen der Demoskopen zu sprechen, ist trotzdem zu einfach. Offenkundig haben Trump-Wähler sich entweder sehr, sehr spät entschlossen oder sie haben den Demoskopen zuvor ins Gesicht gelogen, weil sie als Abgesandte des verhassten Establishments wahrgenommen wurden. Diesen Hass hat nicht erst Donald Trump gesät. Aber er versteht es wie es kein zweiter, diesen Hass auf "die da oben" zu bewirtschaften.

Amerika würde auch unter Joe Biden tief gespalten bleiben. Aber es hätte dann immerhin einen Präsidenten, der diese vergiftete Polarisierung beheben und nicht befeuern will. Das ist der Unterschied zwischen den beiden: Es gibt einen Amtsinhaber, dem der Zusammenhalt seines Landes weitgehend egal ist, solange für ihn und für seine Hälfte des Landes gesorgt ist. Und es gibt einen schwachen Gegenkandidaten, dem allzu viele die Kraft zu heilen nicht zugetraut haben oder die ihn in einer seltsamen Verblendung als linksradikal ablehnten.

Es war eben nicht die Corona-Abrechnung, die alles schlug. Stattdessen gingen die außer Kontrollen geratenen Krawalle in etlichen Städten spürbar zu Bidens Lasten. Deren Bürger versammelten sich in nennenswerter Zahl hinter Trumps "Law and order"-Ruf. Und hinter seiner Wirtschaftsbilanz, die ohne Corona durchaus vorzeigbar gewesen wäre, wenn auch überwiegend auf Schulden gebaut.

Das Wahlergebnis ist zur Stunde noch offen, vermutlich werden am Ende die Gerichte damit befasst sein. Ein Fazit ist dennoch schon zu ziehen: Donald Trump hat die eine Hälfte Amerikas fester an sich und seine Person gebunden als einer Demokratie lieb sein kann, die sich über Regeln, Gepflogenheiten und Anstand definiert. Donald Trump hat die amerikanische Demokratie nicht zerstört, natürlich nicht. Aber er hat sie, ob als Gewinner oder Verlierer dieser Wahl, zutiefst verändert - und gewiss nicht zum Besseren.

Quelle: ntv.de

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