US-Wahl 2020

Wahlkampf-Showdown um die Macht Trump könnte es in Georgia vermasseln

Auch wer immer angreift, kann verlieren: US-Präsident Donald Trump.

Auch wer immer angreift, kann verlieren: US-Präsident Donald Trump.

(Foto: AP)

Verlieren die beiden republikanischen Senatoren im US-Bundesstaat Georgia ihre Sitze, wird es ungemütlich für den noch amtierenden US-Präsidenten Trump. Und für die Republikaner gleich mit, denn sie wären ihre so wichtige Mehrheit im Senat los.

Als der abgewählte, aber noch amtierende US-Präsident am Wochenende das erste Mal seit der Wahl wieder seine Anhänger zusammentrommelte, belohnte er sie mit einem kämpferischen Auftritt. Hatte er zum Ende des Wahlkampfes im Oktober häufig wie auf Populisten-Autopilot mit Schunkeleinlagen gewirkt, ging es nun wesentlich energischer zur Sache. "Wir haben Georgia gewonnen, nur damit ihr das versteht", sagte Trump im Süden des Bundesstaates: "Sie haben betrogen und unsere Präsidentschaftswahl manipuliert, aber wir werden trotzdem gewinnen", tönte er gegen die US-Demokraten. Die Tausenden Anhänger in Valdosta antworteten mit "Stop the Steal!", stoppt den Diebstahl.

Trump und seine Anhänger bewegen sich weiterhin in einer parallelen Realität zum Rest der Vereinigten Staaten. Der Demokrat Joe Biden hat inzwischen nicht nur theoretisch die nötigen Stimmen der Wahlleute, die am 14. Dezember den kommenden Präsidenten bestimmen, sondern wegen der bereits zertifizierten Ergebnisse aus den Bundesstaaten auch praktisch. Alle Bundesstaaten, in denen der Ausgang knapp war, haben ihre Wahlergebnisse zertifiziert. Am vergangenen Freitag, als auch Kalifornien diese Formalität erledigte, erreichte Biden offiziell die Mehrheit der Wahlleute. In einer Woche, am 14. Dezember, werden diese Wahlleute ihre Stimmen in ihren jeweiligen Bundesstaaten abgeben und den Präsidenten wählen.

Nun geht es um die Kontrolle im mächtigen Senat. Weil beide Abstimmungen über die Senatoren aus Georgia Anfang November keinen klaren Sieger brachten, müssen die republikanischen Amtsinhaber am 5. Januar in die Stichwahl. Gewinnen ihre beiden Herausforderer, können die Demokraten auch ohne die Opposition Gesetzesvorhaben verabschieden; etwa zur Krankenversicherung oder zum Lohnniveau.

Seine eigene Niederlage hat Trump mitnichten hinter sich gelassen. Vor seinem Auftritt in Georgia hatte der Noch-Präsident telefonisch versucht, Georgias republikanischen Gouverneur Brian Kemp davon zu überzeugen, das Wahlergebnis zu übergehen. Dessen Innenminister teilte jedoch am Montag mit, auch die zweite Neuauszählung habe Biden als Gewinner festgestellt: "Die Wahrheit ist wichtig", sagte er. Am selben Tag wies ein Bundesgericht eine Klage von Trumps Anwälten wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten ab. Bereits ab dem kommenden Montag können die Menschen in Georgia über die Senatoren abstimmen.

Über Jahre blau gefärbt

Georgia galt lange als unabänderlich republikanisch. In jahrelanger Arbeit schafften es die Demokraten, Hunderttausende neue Wähler zu registrieren, die nun den Bundesstaat erstmals seit 1992 blau gefärbt haben. Aktivisten warben in der afroamerikanischen Bevölkerung für Obamacare, halfen bei den nötigen Anträgen und registrierten zugleich die Antragsteller als Wähler. Die bedankten sich an den Urnen oder per Briefwahl. Nun hoffen die Demokraten, dass die neuen Versprechen des künftigen Präsidenten Biden und der Senatskandidaten verfangen: Sie wollen die öffentliche Krankenversicherung ausbauen, den Mindestlohn erhöhen und das Strafrecht entschärfen.

Die Republikaner wollen das verhindern. "Falls wir Georgia gewinnen, retten wir Amerika", das ist die einfache Botschaft des republikanischen Senators David Perdue, der wie seine Kollegin Kelly Loeffler seinen Sitz verteidigen will. In Umfragen liegen die beiden Senatoren inzwischen ein paar Punkte hinter den Demokraten Raphael Warnock und Jon Ossoff.

Kelly Loeffler und David Perdue wollen ihre Sitze verteidigen. Trumps Betrugsvorwürfe könnten den Demokraten helfen, das zu verhindern.

Kelly Loeffler und David Perdue wollen ihre Sitze verteidigen. Trumps Betrugsvorwürfe könnten den Demokraten helfen, das zu verhindern.

(Foto: dpa)

Die beiden Amtsinhaber bieten große Angriffsflächen. Perdue ist ein ehemaliger Unternehmer und Gewerkschaftsgegner, betrieb Lohndumping und ließ zudem Frauen schlechter bezahlen als Männer. Im Frühjahr ermittelte das Justizministerium wegen möglicher Insidergeschäfte gegen den Senator: Perdue hatte Anteile einer Firma im Wert von einer Million Dollar verkauft, für die er zuvor gearbeitet hatte. Wenige Wochen später stürzte der Kurs ab, woraufhin Perdue den Großteil der Aktien wieder zurückkaufte. Der Kurs steht nun beim Vierfachen. Gegen seine Senatskollegin Loeffler wurde ebenfalls ermittelt. Sie soll nach Corona-Briefings hinter verschlossenen Türen ihre Aktiengeschäfte entsprechend angepasst und damit viel Geld verdient haben.

Zwar sind gegen beide Senatoren die Ermittlungen eingestellt. Das hindert aber die Demokraten nicht daran, die beiden Konkurrenten im Wahlkampf permanent entsprechend zu attackieren und in die Defensive zu drängen. Seit Wochen reiten die Demokraten in Fernsehspots auf dem Thema herum und haben dafür über zwei eigens für Georgia gegründeten Super Pacs in einem Monat bereits mehr als 15,5 Millionen Dollar ausgegeben. Es ist ein bisschen so, wie auch Trump verfährt: Egal, was an Vorwürfen gegen politische Widersacher wirklich dran ist - Hauptsache, es wird darüber geredet. "Stop the Rot", stoppt die faulen Geschäfte, heißt es in einem Werbespot gegen Loeffler.

Gefährliche Gratwanderung

Gewöhnungsbedürftig: Jon Ossoff redet im TV mit und über den nicht anwesenden David Perdue.

Gewöhnungsbedürftig: Jon Ossoff redet im TV mit und über den nicht anwesenden David Perdue.

(Foto: AP)

In einer im ganzen Land übertragenen TV-Debatte am Sonntag versuchte Loeffler, den schwarzen Pastor Warnock als Linksextremisten darzustellen und so die republikanischen Wähler aufzupeitschen. Warnock konterte mit den Vorwürfen zu Loefflers Börsengeschäften und kritisierte, dass die Amtsinhaberin wegen fehlender Argumente für ihre Wahl viele Millionen Dollar für persönliche Angriffe gegen ihn ausgebe. Zu ihrer Kampagne gehört auch die Diffamierungswebseite radicalraphael.com, wo Besucher begrüßt werden mit: "Der radikalste und gefährlichste Kandidat in Amerika" und einem Foto von Warnock. "Er wurde von Marxisten ausgebildet, von Sozialisten gelobt und hieß den kommunistischen Anführer Fidel Castro in seiner Kirche willkommen."

Perdue war für eine Debatte gegen Ossoff eingeladen, kam aber nicht. Womöglich, weil sich der republikanische Senator eine weitere peinliche Situation wie beim TV-Duell vor der Wahl im November ersparen wollte, von dem danach ein Ausschnitt viral ging. Ossoff wirft Perdue unter anderem vor, dass er Covid-19 als harmlos dargestellt habe und mehrmals für eine Verschlechterung der Krankenversicherung stimmte. Ohne Perdue konnte Ossoff auf dem Podium rund eine halbe Stunde lang mit sich selbst und den Fernsehmoderatoren reden. Welchen Effekt eine geschwänzte TV-Debatte haben wird, ist schwer zu sagen. Aber es dürfte kein überzeugendes Signal an Perdues potenzielle Wähler senden.

Noch gefährlicher könnten nach Ansicht gemäßigter Republikaner in Georgia die permanenten Behauptungen Trumps sein, das Wahlsystem insgesamt sei unfair. Es könnte Wähler schlicht demotivieren, ihre Stimme abzugeben. Inzwischen fordern Trumps Verbündete - wie der Anwalt Lin Wood oder die Juristin Sidney Powell - die Republikaner wörtlich dazu auf, gar nicht erst wählen zu gehen: "Warum würde man noch mal in einer manipulierten Wahl abstimmen?", fragte Wood am vergangenen Mittwoch. Manche von Trumps Anhängern sind zudem sauer auf Perdue und Loeffler, weil die Senatoren ihrer Ansicht nach nicht genug für eine Wiederwahl Trumps getan haben.

Die ständigen Betrugsvorwürfe und Verschwörungsmythen sowie das Getöse gegen die Wahlmaschinen und die Briefwahl, die Trump und seine Verbündeten in den vergangenen Monaten losgetreten haben, könnten auf diese Weise nach hinten losgehen. Bleiben genügend Republikaner der Stichwahl im Januar fern, weil sie dem Wahlprozess nicht mehr vertrauen, hätte ihr Präsident mit seiner aggressiven Art genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie alle wollen: die Mehrheit im Senat verteidigen.

Quelle: ntv.de

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