"Ich finde mich nicht langweilig" Unrechtsstaat? Nicht mit Dietmar Bartsch
08.02.2017, 15:38 Uhr
Dietmar Bartsch ist Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Sein Image: Moderat, pragmatisch und undogmatisch.
Dietmar Bartsch ist Spitzenkandidat der Linken für die Bundestagswahl im Herbst - im Gespann mit Sahra Wagenknecht, die ungefähr das Gegenteil des besonnen 58-Jährigen darstellt. Im Gespräch mit Louis Klamroth erläutert Bartsch, was ihn mit Trump und Putin verbindet, warum Schulz ein guter SPD-Kandidat ist und Berlin ein Raumschiff.
War die DDR ein Unrechtsstaat? Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken und einer der beiden Spitzenkandidaten der Partei für die Bundestagswahl, kann es nicht mehr hören. Fest stehe für ihn: Sollte ein solches Bekenntnis von ihm im Herbst verlangt werden, um ein rot-rot-grünes Bündnis zu ermöglichen, werde er sich verweigern.
"Ich finde diese ganze Debatte, die da lautet 'Unrechtsstaat Ja oder Nein. Und wenn du nicht für Ja bist, dann bist du raus und wenn du Nein sagst, bist du ein Held' albern. Ich mache diese Trivialität nicht mit, egal wie der Mainstream ist", sagte Bartsch in der neuen Ausgabe von "Klamroths Konter", die exklusiv auf n-tv zu sehen ist. Unbestritten sei allerdings, dass es in der DDR wirklich "Unrecht ohne Ende" gab, so Bartsch, "unermessliches Unrecht und viele Menschen haben darunter gelitten."
Louis Klamroth, 27, studierte Politologie in Amsterdam und London. In einem früheren Leben war er Hauptdarsteller des Films "Das Wunder von Bern". Die probono Fernsehproduktion präsentiert seine wachen, beherzten Interviews in Zusammenarbeit mit n-tv.de.
Aufgezeichnet wird die Sendung in der imponierenden Schaltzentrale des Heizkraftwerkes Berlin, das bis 1997 die "Hauptstadt der DDR" mit Energie und Wärme versorgte. Heute birgt der Koloss an der Köpenicker Straße den legendären Club "Tresor".
Ob es überhaupt nach der Bundestagswahl im September zu einem Politikwechsel komme, sei nicht nur eine Frage von Rot-Rot-Grün. "Es muss mehr sein", so Bartsch. Es müsse einen gesellschaftlichen Aufbruch geben, "einen Willen in der Bevölkerung, weit über die Parteien hinaus". Nur dann würde ein solches Projekt funktionieren.
Die Wahrscheinlichkeit für eine linke Mehrheit ist laut Bartsch mit der Inthronisierung von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidaten allerdings trotz der aktuellen Euphoriewelle nicht gestiegen. "Sie ist genauso groß wie vorher", so Bartsch. Auf die Frage, ob eine Abwahl von Merkel also nach wie vor als doch eher unrealistisch eingeschätzt werden muss, erwiderte der 58-Jährige: "Unrealistisch war vor 14 Tagen noch, dass die SPD den Kanzler stellt, das war so realistisch wie der HSV wird Deutscher Meister."
Zur Kritik aus den eigenen Reihen, namentlich von Oskar Lafontaine, der erklärt hatte, ein Bündnis aus Linken, Grünen und der SPD sei aufgrund zu großer inhaltlicher Differenzen eher undenkbar, erklärte Bartsch lapidar: "In jeder Partei gibt es Menschen, die auch andere Sichten haben."
Bartsch, der bei der Bundestagswahl im Duo mit Sahra Wagenknecht antritt, sieht dabei keine klare Rollenverteilung unter den Spitzenkandidaten. Keinesfalls sei es jedenfalls so, dass Wagenknecht für die Provokationen zuständig sei, die er dann wieder ausbügeln müsse. Vorwürfe, er sei zu wenig polemisch und krawallig, wies der Oppositionsführer zurück. "Es kommt nicht darauf an, langweilig oder interessant zu sein." Als Mensch aus Vorpommern sei er naturgemäß eher weniger aufgeregt. Im Übrigen konstatierte Bartsch: "Ich finde mich nicht langweilig."
Bartsch bekräftigte zugleich seine Forderung, den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan schnell zu beenden. "Wir sind da seit 2002. Jetzt haben wir 2017. Das sind 15 Jahre. Ergebnis: Taliban kommen zurück, Zehntausende zivile Opfer, über 50 tote Bundeswehrsoldaten, Milliarden versenkt."
"Wir haben mit der AfD nichts zu tun"
Als "schlicht falsch" bezeichnete Bartsch die Aussage, viele frühere Wähler der Linken würden nun ihr Kreuz bei der AfD machen. Bei der Berlin-Wahl habe sich zuletzt gezeigt, dass die AfD vor allem Stimmen aus dem Lager der bisherigen Nicht-Wähler bekomme. Gleiches gelte für die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern. Und danach sei die größte Wählerwanderung von der CDU zur AfD zu beobachten gewesen. Gleichwohl sei es Aufgabe der Linken, wie auch der anderen Parteien, deutlich zu machen, dass die AfD eben nicht die Partei der Schwächeren in der Gesellschaft ist. Bartsch: "Wir haben mit der AfD nichts zu tun."
Der Linken-Fraktionschef gestand ein, dass viele Menschen, gerade im ländlichen Raum, ein zunehmend distanziertes Verhältnis zu den etablierten Parteien aufgebaut haben. Er höre immer wieder die Frage "Warum tut ihr nichts mehr für uns?" und die Aussage "Ich weiß schon, ihr da oben", so Bartsch. Deshalb sei es umso wichtiger, mit den Bürgern in einen Dialog zu treten. "Allerdings nicht mit dem politischen Diskurs, den man im Raumschiff Berlin führt", fügte er hinzu.
Quelle: ntv.de