Politik

"Nein zum Diktator" Viele Festnahmen bei Mai-Demos in Istanbul

Die Polizei verhaftete Demonstranten, die versuchten, den Taksim-Platz zu erreichen.

Die Polizei verhaftete Demonstranten, die versuchten, den Taksim-Platz zu erreichen.

(Foto: REUTERS)

Mai-Demonstrationen sind eine Tradition in der Türkei. In diesem Jahr gibt es dabei erneut Zusammenstöße zwischen Protestlern und Polizei. Hunderte Menschen werden in Istanbul festgenommen, ein Mensch stirbt.

Bei Demonstrationen zum Tag der Arbeit hat es in der türkischen Metropole Istanbul Hunderte Festnahmen gegeben. Die Polizei habe im Stadtteil Besiktas 70 Menschen in Gewahrsam genommen, berichtete der türkische Sender NTV.

Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein.

Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein.

(Foto: REUTERS)

Im Stadtteil Mecediyeköy gab es nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten, die zum zentralen Taksim-Platz laufen wollten. Aktivisten entrollten Banner mit der Aufschrift "Lang lebe der 1. Mai. Nein zum Diktator". Die Polizei habe Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt.

Der Istanbuler Gouverneur erklärte, einige illegale Gruppen hätten versucht, die Feiern zum 1. Mai als "Vorwand" für Proteste gegen die Regierung zu nutzen. Nach Behördenangaben kam ein Mensch bei einem Unfall beim Manöver eines Wasserwerfers ums Leben. Zunächst meldete die Polizei 207 Festnahmen, später sprach sie von 165 Festnahmen. 139 der Festgenommenen hätten gegen das Demonstrationsverbot verstoßen. 17 Menschen seien festgenommen worden, weil sie Spruchbanner entrollen wollten.

Zehntausende Polizisten im Einsatz

Die Polizei aktualisierte auch ihre Angaben zu beschlagnahmten Gegenständen: Am Sonntag und Montag seien in Istanbul 85 Molotowcocktails, 95 mit Farbe gefüllte Flaschen, 25 Feuerwerkskörper und mehrere Masken beschlagnahmt worden. Allein in Istanbul waren rund 30.000 Polizisten im Einsatz.

Die Behörden hatten wie auch in den Jahren zuvor Kundgebungen zum 1. Mai auf dem Taksim-Platz verboten. Lediglich regierungsnahe Gewerkschaften durften eine kurze Erklärung auf dem Platz abgeben. Gewerkschaftler und Regierungskritiker versammelten sich in diesem Jahr friedlich im Stadtteil Bakirköy, wo die Behörden eine Kundgebung erlaubt hatten. Auch in Ankara versammelten sich 6000 Menschen zum 1. Mai, wobei die Menge Buchstaben hoch hielt, die in Anspielung auf das Verfassungsreferendum das Wort "Hayir" (Nein) bildeten. Zudem gab es Banner mit der Aufschrift "Nein heißt Nein".

Die Gegend um den Taksim-Platz war weitläufig abgesperrt. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu waren mehr als 30.000 Sicherheitskräfte in Istanbul im Einsatz. Für Gewerkschaften hat der Taksim-Platz eine besondere Bedeutung. Am 1. Mai 1977 eröffneten dort Heckenschützen das Feuer auf eine Demonstration mit rund 500.000 Teilnehmern. Mindestens 34 Menschen starben. Bis heute ist unklar, wer die Täter waren.

Kritik an Massenentlassungen

Im Jahr 2013 entzündeten sich auf dem Platz Proteste, die sich gegen die Regierung der AKP richteten. Mehrere Demonstrationen wurden von der Polizei brutal beendet, ein Zeltlager der Aktivisten wurde abgebrannt.

Wegen des gewonnenen Referendums zum Präsidialsystem, das Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Rechte einräumt, ist die Lage in dem Land derzeit besonders angespannt. Erst am Wochenende hatte die Regierung erneut fast 4000 Staatsbedienstete entlassen. Zudem blockierte die Regierung den Zugang zu Wikipedia.

UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad Al Hussein äußerten scharfe Kritik. Auch die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) protestierte. "Die Grundrechte und Freiheiten werden durch die Notstandsdekrete zerstört", schrieb ihr Vorsitzender Kemal Kilicdaroglu in einer Erklärung zum 1. Mai. Er kritisierte insbesondere die Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Ausnahmezustand.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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