Politik

Bildung auf Karte Von der Leyen, die Super-Nanny?

Ursula von der Leyen muss sich gegen Kritik aus den eigenen Reihen durchsetzen.

Ursula von der Leyen muss sich gegen Kritik aus den eigenen Reihen durchsetzen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sozialministerin von der Leyen glaubt an die Zukunft ihrer Bildungskarte für arme Kinder. Doch natürlich gibt es Streit in der Koalition, ob nun Geld- oder Sachleistungen der richtige Ansatz sind. Teile der CSU warnen vor einer Entmündigung der Eltern.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will die geplante elektronische Bildungskarte nach und nach allen Kindern zur Verfügung stellen. "Wir wollen mittelfristig bedürftigen Kindern eine elektronische Bildungs-Card mit einem persönlichen Bildungsguthaben geben", sagte die CDU-Politikerin dem "Spiegel". In weiteren Schritten sollten auch Kinder von Eltern mit niedrigen Einkommen die Karte nutzen können, und zwar mit finanzieller Unterstützung von Stiftungen, Wirtschaft und privaten Spendern. "Am Ende könnte im Prinzip jedes Kind die Bildungs-Card nutzen", sagte von der Leyen, die sich die Stuttgarter "FamilienCard" als Vorbild ausgesucht hat.

Mit der geplanten Chipkarte will die Arbeitsministerin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar umsetzen. Die Richter hatten der Regierung aufgetragen, bei den Hartz-IV-Ausgaben die Kosten für die Teilhabe der Kinder am Vereinsleben und an Bildungsangeboten stärker zu berücksichtigen. Von der Leyen will dafür jedoch nicht mehr Geld direkt an die Kinder oder deren Eltern zahlen, sondern den Kindern Sach- und Dienstleistungen zugutekommen lassen.

Forderungen, das Bildungspaket als Geldleistung auszuzahlen, erteilte von der Leyen erneut eine Absage. Würde dies geschehen, hätte zwar jeder ein paar Euro zur Verfügung, sagte sie. "Um die Nachhilfe zu bezahlen, reicht das Geld aber immer noch nicht." Da nicht alle Kinder Nachhilfe bräuchten, solle die Leistung nur jenen zu Gute kommen, die sie benötigten.

Contra aus der CSU

Die CSU-Mittelstands-Union schießt gegen die Pläne. Ihr Sprecher Hans Michelbach forderte von der Leyen auf, die Pläne "schnellstens einzustampfen". "Wir brauchen keinen Super-Nanny-Staat. Die Politik hat auch vor Empfängern von Transferleistungen Respekt zu haben und sie als mündige Bürger zu behandeln", hieß es. "Alles andere ist einer Partei, die sich auf das christliche Menschenbild gründet, unwürdig."

Michelbach warnte davor, Bezieher von Transferleistungen unter den Generalverdacht zu stellen, nicht ordentlich für ihre Kinder zu sorgen. Die Pläne würden auch dadurch nicht besser, dass das Gutscheinsystem auf alle Kinder ausgedehnt werde. "Da soll unter falscher Flagge ein neues Ausgabeprogramm aufgelegt werden. Wir brauchen aber keine neuen Ausgabenprogramme, sondern Haushaltskonsolidierung."

Von der Leyen will die Stuttgarter Familiencard als Vorbild für ihre Chipkarte nehmen.

Von der Leyen will die Stuttgarter Familiencard als Vorbild für ihre Chipkarte nehmen.

(Foto: dpa)

Der Sprecher des Wirtschaftsflügels betonte, die Gesetzgebung müsse sich endlich auf die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zu den Hartz-IV-Sätzen konzentriere. Das höchste deutsche Gericht habe deutliche Hinweise für eine neue Berechnungsgrundlage des Arbeitslosengeldes II formuliert. "Diese Leitlinie hat die Politik umzusetzen, und nichts weiter." Von einem Zwang zum Sachleistungsprinzip sei in dem Urteil nichts zu lesen.

SPD skeptisch

SPD-Vize Manuela Schwesig warnte von der Leyen davor, mit ihrer Bildungschip-Idee für Hartz-IV-Kinder erneut vor dem Verfassungsgericht zu scheitern. "Zunächst ist die Bundesregierung aufgefordert, wirklich ganz genau zu berechnen, was ein Kind zum Leben braucht und dann zu sagen, wie hoch der Regelsatz ist", sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Die Idee, Kindern Bildungschancen einzuräumen und den Zugang zu Sportvereinen oder zur Nachhilfe zu verschaffen, sei grundsätzlich richtig. Aus ihrer Sicht gehöre aber auch ein gesundes Mittagessen in der Schule dazu. "Ob man das wirklich mit einer Card macht, ist für mich erst mal zweitrangig", sagte Schwesig.

Manuela Schwesig sieht ein größeres Klientel betroffen.

Manuela Schwesig sieht ein größeres Klientel betroffen.

(Foto: REUTERS)

Für die SPD sei es wichtig, dass wirklich alle Kinder die gleichen Möglichkeiten erhielten. Dazu gehörten nicht nur Mädchen und Jungen aus Hartz IV-Familien, sondern auch die vielen aus Geringverdiener-Familien, die am Monatsende nur 100 oder 200 Euro mehr hätten als Hartz-IV-Bezieher.

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bildung in der SPD, Eva-Maria Stange, sagte: "Die Chipkarte ist kein Ersatz für kostenfreie Kitaplätze und Ausbau der Ganztagsschulen." Dies sei die beste Unterstützung, die Kindern vor allem aus armen Familien gegeben werden könne. Der Bund sollte Länder und Kommunen stärker als bisher dabei unterstützen "statt mit immer neuen Ideen die Tatenlosigkeit zu verschleiern".

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) lehnte das Chip-Modell ebenfalls ab. Es dürfe keine Kinder erster und zweiter Klasse geben, warnte sie in der "Passauer Neuen Presse". Eine Chipkarte könne weder den individuellen Bedarf der Kinder erfüllen noch die Verantwortung der Eltern stärken oder Ausgrenzung vermeiden, so die CSU-Politikerin. Eine Umsetzung der Idee bis zum Beginn nächsten Jahres sei zudem nicht leistbar, weil über eine Million Lesegeräte im ganzen Land angeschafft werden müssten.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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