Nach 247 Prozesstagen Warten auf die Zschäpe-Aussage
07.12.2015, 12:30 Uhr
Zschäpes Platz im Gerichtssaal
(Foto: REUTERS)
In dieser Woche steht im Münchner NSU-Prozess die Aussage der bisher schweigenden Hauptangeklagten Beate Zschäpe an. Mit Spannung wird erwartet, was Zschäpe sagen wird. Spricht sie gar selbst? Fragen und Antworten finden Sie hier.
Wann wird Beate Zschäpe aussagen?
Geplant sind in dieser Woche wie üblich drei Verhandlungstage - am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Zschäpes Anwalt Mathias Grasel zufolge liegt es am Gericht, wann er für Zschäpes Aussage das Wort erhalte. Er muss jedoch zunächst dem Gericht mitteilen, dass seine Mandantin aussagen will. Spätestens am Mittwoch soll es soweit sein. Für diesen Tag wie auch für Donnerstag hat das Münchner Oberlandesgericht keine Zeugen geladen. Möglicherweise gibt es Zschäpes Erklärung auch schon im Laufe des Dienstags. Für den Vormittag hat das Gericht zwar einen Kripo-Ermittler als Zeugen geladen. Dessen Vernehmung könnte aber nach kurzer Zeit beendet sein.
Könnte noch etwas dazwischen kommen?
Vergangene Woche fielen die geplanten Sitzungstage wegen Krankheit eines Richters aus. Das kann natürlich jederzeit wieder passieren. Alle Befangenheits- und Entpflichtungsanträge sind aber mittlerweile vom Tisch. Neue Hinderungsgründe für Zschäpes Aussage sind damit erst einmal nicht absehbar.
Wird Zschäpe selbst sprechen?
Nein, Zschäpe will nicht selber reden. Ihr Anwalt Mathias Grasel hat angekündigt, er werde eine Aussage für sie verlesen. Das werde etwa eine bis eineinhalb Stunden dauern.
Hat Zschäpe diese Aussage allein aufgeschrieben?
Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Die Rede ist von 57 Seiten, die in Zusammenarbeit mit ihrem Pflichtverteidiger Grasel und ihrem neuen Wahlverteidiger Hermann Borchert entstanden sind. Sie und Grasels Kanzlei sollen seit Monaten an der Aussage arbeiten. Zu hören ist auch, dass diese seit Wochen fertiggestellt und schriftlich fixiert sein soll.
Wird sie danach auch Fragen beantworten?
Nach der Verlesung der Aussage wird zunächst das Gericht Fragen stellen. Grasel hatte schon an einem früheren Prozesstag angekündigt, dass Fragen beantwortet würden, aber offen gelassen, ob von Zschäpe oder von ihm. Inzwischen heißt es, Fragen des Gerichts würden voraussichtlich nicht von Zschäpe selbst, sondern von ihm oder seinem Kollegen Borchert beantwortet. Keine Auskunft will Grasel darüber geben, ob Zschäpe auch Fragen anderer Prozessbeteiligter beantworten wird. Üblicherweise haben auch die Bundesanwaltschaft, die Anwälte der NSU-Opfer und die vier Mitangeklagten in dem Prozess Fragerecht.
Wozu genau will sich Zschäpe äußern?
Nach Grasels Angaben will Zschäpe Angaben zu allen Anklagepunkten machen. "Diese Erklärung wird sich mit allen angeklagten Punkten beschäftigen, und wir werden da auf jeden einzelnen Punkt eingehen", sagte der Verteidiger dem Bayerischen Rundfunk. Konkret werde es darum gehen, was Zschäpe gewusst habe und worin sie involviert gewesen sei, erklärte Grasel. Prozessbeobachter mußmaßen, Zschäpe könnte sagen, wo sie sich in den vier Tagen zwischen dem Auffliegen des NSU und ihrer Festnahme aufgehalten hat. Möglicherweise könnte sich auch planen, bisher unbekannte Einzelheiten zu einigen der Morde an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und der Polizistin Michele Kiesewetter zu enthüllen. Außerdem wird vermutet, dass sie auch Verstrickungen zu Geheimdiensten offenlegen will.
Wie könnte sich eine Aussage auf Zschäpes Verhältnis zu ihren Alt-Verteidigern auswirken?
Die bisherige Verteidigungsstrategie von Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl war, das Zschäpe keinerlei Angaben zur Sache macht. Insofern bedeutet eine Aussage eine komplette Kehrtwende. Zschäpe argumentiert seit längerem, sie sei bisher an einer Aussage gehindert worden. In diese Richtung äußerte sich auch ihr Verteidiger Grasel. Er sei zu der Überzeugung gelangt, dass "Schweigen hier nicht mehr die richtige Strategie ist, sondern dringend eine Erklärung geboten ist". Das entspreche auch dem "ausdrücklichen Wunsch von Frau Zschäpe, der bereits seit Ihrer Verhaftung im März 2011 so existierte", betonte Grasel.Zschäpe spricht schon seit längerem mit keinem ihrer drei Alt-Verteidiger. Alle Versuche diese loszuwerden, scheiterten aber ebenso wie die der Anwälte, entpflichtet zu werden. Das Alt-Verteidigerteam geht davon aus, dass es ihm nicht länger möglich ist, prozessuale Aktivitäten zu entfalten. Teilnehmen müssen sie an der Hauptverhandlung trotzdem weiter.
Welche Folgen könnte Zschäpes Aussage für den weiteren Prozessverlauf haben?
Die Folgen der Zschäpe-Aussage für den weiteren Verlauf des Prozesses sind noch nicht abzusehen. Bislang hat das Gericht sämtliche Anklagepunkte im Wesentlichen abgearbeitet. Die Morde und Anschläge gelten als mehr oder weniger aufgeklärt. Sollte Zschäpe allerdings bisherige Erkenntnisse erschüttern, könnte das Gericht Teile der Beweisaufnahme wiederholen. Der Prozess könnte sich dann noch längere Zeit hinziehen, zumal ein weiterer Angeklagter jetzt ebenfalls sein Schweigen brechen will: Ralf Wohlleben.
Quelle: ntv.de, sba/dpa