Überraschendes Comeback? Was aus Martin Schulz werden könnte
13.05.2018, 21:02 Uhr
Auf Augenhöhe mit den Großen: Martin Schulz mit Frankreichs Präsident Macron.
(Foto: REUTERS)
Er war Kanzlerkandidat und SPD-Chef, jetzt ist Martin Schulz nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter. Aber möglicherweise nicht mehr lange. Bei den Sozialdemokraten gibt es offenbar Pläne für Schulz' Zukunft.
Im März 2018 wird es plötzlich ruhig um ihn. Die Große Koalition steht, aber Martin Schulz ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Er ist vom SPD-Vorsitz zurückgetreten, hat auf ein Ministeramt verzichtet und ist nur noch einfacher Abgeordneter. Schulz taucht ein paar Wochen unter. In Berlin hält sich in dieser Zeit das Gerücht, er werde sein Mandat niederlegen - was nicht geschah. Womöglich bahnt sich nun aber ein überraschendes Comeback an. Mehrere prominente Sozialdemokraten haben sich dafür ausgesprochen, dass Schulz die SPD im kommenden Jahr als Spitzenkandidat in die Europawahl führen soll.
Zu seinen Fürsprechern zählen etwa Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin und Mitglied des Bundesvorstands, als auch Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises. "Ich würde eine solche Spitzenkandidatur von ganzem Herzen unterstützen", sagte Kahrs dem "Spiegel". Schulz selbst hat sich bisher nicht zu möglichen Ambitionen geäußert.
Die Monate als SPD-Kanzlerkandidat haben ihm zugesetzt. "Ich bin froh, wenn das morgen vorbei ist", sagt Schulz in einem Kapitel des Buches, dass "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen über seinen Wahlkampf geschrieben hat. Am 12. Februar 2018, einen Tag, bevor er vom SPD-Vorsitz zurücktritt, sagt er: "Ob ich jemals wieder fit werde, weiß ich nicht. Ich glaube, ich brauche ein halbes Jahr, um wieder zu Kräften zu kommen." Feldenkirchen beschreibt ihn mit dem Worten: "ein gebrochener Mann, schwer angeschlagen, körperlich wie seelisch".
"Bitterkeit hilft in der Politik nicht"
Nach der Vereidigung der neuen Regierungsvertreter im März war Schulz in der Bundespolitik zunächst nicht groß in Erscheinung getreten. Bei Twitter legte er mehr als zwei Monate Funkstille ein. Erst ab Ende April meldete sich Schulz wieder mit einigen Äußerungen zu Wort. Seine Themen: 70. Jahrestag des Staates Israel, Karlspreis und Donald Trump. Vor ein paar Tagen war Schulz plötzlich fast wieder so präsent wie noch bis Februar. Als Emmanuel Macron am 10. Mai in Aachen anlässlich des Karlspreises seine Rede hielt, saß er gut sichtbar hinter dem französischen Präsidenten, in der zweiten Reihe, hinter EZB-Präsident Mario Draghi. Schulz hatte den Karlspreis vor drei Jahren erhalten. Die Bildagenturen verschickten später auch Fotos, die ihn gemeinsam mit Macron zeigten.
Außenpolitik und Europa sind Schulz' Herzensthemen - daran ließ er schon kurz zuvor bei seiner kurzen, aber eindringlichen Rede beim SPD-Parteitag in Wiesbaden keinen Zweifel. Nachtragend über den Umgang mit ihm? Wenn ja, konnte Schulz das ganz gut verbergen. "Zorn hat keinen Zweck und Bitterkeit hilft in der Politik nicht", sagte er. Diese Loyalität, die ihn von Vorgänger Sigmar Gabriel unterscheidet, könnte von der SPD-Spitze nun belohnt werden - mit einem Abgang, der für Schulz durchaus gesichtswahrend wäre.
Schulz ist 62 Jahre alt und damit zu jung für den Ruhestand. In Brüssel kennt er sich bestens aus. Schulz wurde 1994 ins EU-Parlament gewählt, ab 2004 leitete er die Fraktion der Sozialdemokraten. 2012 wurde Schulz Präsident des Parlaments, zwei Jahre später kandidierte er als Spitzenkandidat. Bei der Europawahl wurden die Sozialdemokraten zwar nur zweitstärkste Kraft, dennoch blieb Schulz noch bis Ende 2016 Parlamentspräsident. Europa und die EU sind gewohntes Terrain für ihn. Die Europawahl findet voraussichtlich Ende Mai 2019 statt. Schulz hätte also noch ein bisschen Zeit, um sich von den Strapazen der jüngeren Vergangenheit zu erholen. Fraglich ist, ob er das Anforderungsprofil in anderer Hinsicht erfüllt. Nach dem schlechten Wahlergebnis hat die SPD eigentlich einen groß angelegten Erneuerungsprozess ausgerufen. Vor diesem Hintergrund könnte es schwierig werden, Schulz' Kandidatur zu erklären.
Dafür bleibt jedoch noch etwas Zeit. Die Kür soll erst Ende des Jahres auf einer Delegiertenkonferenz stattfinden. Womöglich gibt es dann auch mehrere Bewerber. Der SPD-Europapolitiker Axel Schäfer brachte neben Schulz auch einen zweiten Mann ins Spiel, der zurzeit ohne herausgehobenes Amt dasteht: Sigmar Gabriel.
Quelle: ntv.de