Politik

Propaganda-Show in Mariupol Was die Aufnahmen in der Philharmonie nicht zeigten

Das erste Mal seit Beginn der russischen Invasion besucht Wladimir Putin von Russland kontrolliertes Gebiet im Donbass. Der Aufenthalt dort ist möglicherweise nicht mehr als eine Show - und es wird bewusst verschwiegen, was den russischen Präsidenten schlecht dastehen lassen könnte.

Der angebliche Ausflug von Wladimir Putin ins ukrainische Mariupol im Donbass, das Russland illegal besetzt hat, wirft nicht nur viele Fragen um möglicherweise gestellte Szenen auf, sondern zeigt auch auf andere Weise, wie der Kreml Bilder für seine Propaganda nutzt. In einem Video des Besuchs ist der russische Präsident im Saal der Philharmonie zu sehen, der laut UN eigentlich mal zu einem Gericht umfunktioniert werden sollte, um medienwirksame Prozesse gegen gefangene Ukrainer durchzuführen. So sieht Russland etwa die Asow-Kämpfer als Täter an. Doch von diesen Plänen ist bei Putins Besuch keine Rede mehr.

Letzten Sommer kündigte Denis Puschilin, der Chef der selbsternannten "Volksrepublik Donbass", noch an, gegen die ukrainischen Soldaten ein "internationales Tribunal" abzuhalten und sich so zu inszenieren. Dafür wurden sogar Metallkäfige gebaut, in denen die Kriegsgefangenen zur Schau gestellt werden sollten, wie Fotos aus Telegram-Nachrichten zeigten. Auf den aktuellen Aufnahmen aus Mariupol vom Putin-Besuch aber sind die Käfige nicht zu sehen, dafür jedoch eine große weiße Wand, die genau die Ecke verdeckt, in der die Käfige stehen sollen.

Zudem befindet sich ein Rednerpult in dem Saal. Doch auch darauf wird bei Putins Besuch nicht eingegangen. Stattdessen geht es bei der Kurzvisite um angebliche musikalische Einlagen. Der stellvertretende Regierungschef erzählt, in der Philharmonie werde schon musiziert - er habe Übungen gehört. Von den einstigen Gerichtsplänen wird nicht gesprochen. Zu den Prozessen in der Philharmonie gegen Verteidiger aus dem Asowstal ist es nämlich letztlich nicht gekommen, weil Russland mit der Ukraine Kriegsgefangene austauschte, um den prorussischen Politiker und Putin-Kumpel Viktor Medwedtschuk freizubekommen, der damals noch die ukrainische Staatsbürgerschaft besaß.

Ukrainische Seite verurteilt Putins Besuch

Statt sich an Prozessen gegen Ukrainer im besetzten Mariupol zu ergötzen, hat Wladimir Putin mittlerweile selbst Gerichtsärger am Hals: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erließ Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten, weil Russland Tausende ukrainische Kinder verschleppt haben soll. Das Land erkennt das Gericht allerdings nicht an. Dennoch schränkt ein solcher internationaler Haftbefehl Putins Bewegungsfreiheit weiter ein. Sobald er in ein Land reist, das den Grundlagenvertrag des Gerichts ratifiziert hat, droht ihm die Festnahme. Denn alle Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Haftbefehle auszuführen.

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Die ukrainische Regierung verurteilte derweil den Besuch des Kreml-Chefs in Mariupol scharf. Der Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Michailo Podoljak, schrieb auf Twitter: "Der Verbrecher kehrt immer an den Tatort zurück. Während die zivilisierte Welt die Verhaftung des Kriegsdirektors für den Fall ankündigt, dass er ihre Grenzen überschreitet, kam der Mörder von Tausenden von Familien aus Mariupol, um die Ruinen der Stadt und die Gräber zu bewundern. Zynismus und Mangel an Reue."

Es war Putins erste Reise in das von Russland kontrollierte Gebiet im Donbass seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Mariupol am Asowschen Meer war ab Kriegsbeginn unablässig von Russland bombardiert und belagert worden. Nach Angaben Kiews wurden 90 Prozent der Stadt zerstört und mindestens 20.000 Menschen getötet.

Quelle: ntv.de, rog

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