Was passiert in Bad Aibling? Was wir alles nicht wissen dürfen
25.09.2014, 18:03 Uhr
Abhörstation in Bad Aibling: Vieles, was dort passiert, soll offensichtlich geheim bleiben.
(Foto: REUTERS)
Geheimdienste reden nicht gerne über ihre Arbeit, so auch der Zeuge R. U. im NSA-Ausschuss. Noch mehr schränkt aber die Bundesregierung ein, was das Parlament wissen darf. Es kommt zu absurden Situationen und einem Eklat.
Hans-Christian Stöbele hat keine Lust mehr auf dieses Spiel. Er stellt dem Zeugen fünf, sechs, sieben Mal fast die gleiche Frage: Leitet der BND Daten aus Internetknotenpunkten an die NSA weiter? Das ist wohl so, die Bundesregierung hat das selbst zugegeben, als die Nachfragen zu den Snowden-Dokumenten zu erdrückend wurden. Doch der Zeuge will dazu nichts sagen, zumindest nicht, so lange der NSA-Untersuchungsausschuss öffentlich tagt. "Das verstehe ich jetzt nicht", protestiert Ströbele.

Snowden-Unterstützer vor dem Reichstag. Sie fordern, dass Edward Snowden in Berlin aussagen und bleiben kann.
(Foto: dpa)
Der Grünen-Politiker bekommt Hilfe von seinem Parteikollegen Konstantin von Notz: Es werde mit zweierlei Maß gemessen. Wenn der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter darstellen wolle, "wie rechtschaffen sich der BND verhält", dann dürfe der Zeuge aussagen. Auf die Fragen der Grünen gebe es dagegen keine Antwort. "Das ist kein Zustand für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss", wettert Notz. Die – etwas einstudiert wirkende – Eskalation der Grünen führt zu einer Unterbrechung der Sitzung. Kiesewetter wehrt sich später: Die Grünen schadeten mit ihren Anschuldigungen dem Ansehen des Ausschusses.
Der NSA-Untersuchungsausschuss hatte sich für seine 14. Sitzung vorgenommen, die Vorgänge im BND-Abhörzentrum Bad Aibling aufzuklären. Der zentrale Zeuge ist der Leiter dieser Abteilung, nach eigener Aussage unterstehen ihm 120 Angestellte.
Möglichst keine Daten von Deutschen
In Bad Aibling, das haben die Abgeordneten nun erfahren, werden Daten ausgewertet, die über Satelliten verschickt werden. Der BND richtet seine Antennen im Prinzip auf jeden Satelliten, der sich in Reichweite, also auf der richtigen Seite der Erdkugel befindet. Allerdings kann immer nur ein Teil der Satelliten gleichzeitig angesteuert werden. Aus dem Strom der Daten nimmt der BND diese, die von vorher definierten "Selektoren", also bespielsweise Telefonnummern oder E-Mail-Adressen stammen. Ein "Filter" soll sicherstellen, dass keine Daten von Deutschen erhoben werden, denn das darf der BND nicht.

Vor der Sitzung des Untersuchungsausschusses fand vor dem Reichstag eine kleine Demonstration gegen die NSA-Überwachung statt.
(Foto: imago/Florian Schuh)
Was übrig bleibt, sichten BND-Mitarbeiter und entscheiden dann, ob es sich um relevante Informationen handelt. Ob es Vorschriften zur Löschung von Daten gibt, fragt die Linke Martina Renner. "Vorschriften zur Löschung von Daten...", wiederholt der Zeuge und überlegt. Auf der Besuchertribüne wird gelacht. Der Zeuge weiß nichts von solchen Vorschriften, sagt aber später, dass Daten, so sie nicht als relevant erachtet werden, höchstens wenige Wochen gespeichert werden.
Lücken im Filter
Entscheidend ist, wie die Selektoren und Filter definiert werden. Der Zeuge gibt zu, dass zum Beispiel der folgende Fall problematisch ist: Wenn zwei Deutsche miteinander über türkische E-Mail-Adressen und auf Türkisch kommunizieren, könnten die Filter die Kommunikation als ausländisch einstufen und das Gespräch würde erfasst. Allerdings würden ja nur Daten von vorher definierten Nummern und Adressen gesammelt – und damit sollte praktisch ausgeschlossen sein, dass Deutsche ausgespäht werden. Seine Abteilung habe schon mehrfach Anschläge auf die Isaf-Truppen in Afghanistan verhindert.
Dass es einen "Ringtausch" gebe, dass also der deutsche Dienst Daten über Amerikaner an die USA liefert und dafür Daten über Deutsche zurückbekommt, streitet der Zeuge ab. Auch werde keine Massendatenerfassung betrieben.
Über die weitere Arbeitsweise der Abteilung in Bad Aibling ist nicht besonders viel zu erfahren. Mehrfach verweist der Zeuge auf die Aussagegenehmigung, die er von der Bundesregierung erhalten hatte. In dieser gibt es einige Einschränkungen. Nicht einmal seinen Namen darf er verraten, er nennt sich schlicht "R. U." – was zu Beginn für einige Lacher sorgt. Er lehnt es auch ab, eine Aussage zum Umgang mit Daten zu machen, die nicht aus der Satellitenüberwachung stammen. Allerdings läuft nur ein kleiner Teil der Kommunikation über Satelliten. Warum gerade diese Überwachung thematisiert werden darf, die Überwachung von Glasfaserkabeln aber nicht, wird nicht klar.
"Über so etwas sprechen wir nicht"
Einmal scheint die Kultur durch, die offenbar unter Geheimdienstlern herrscht. Ströbele fragt, ob der Zeuge von den Abhör-Programmen gewusst habe, bevor Edward Snowden seine Informationen darüber veröffentlichte. Immerhin arbeitet U. Tür an Tür mit der NSA. "Ich habe nicht nachgefragt", sagt der. "Sehen Sie die nicht manchmal in der Kantine?", fragt Ströbele. Sein Kollegen lachen, der Zeuge bleibt ernst: "Ich sehe die manchmal in der Kantine. Aber über so etwas sprechen wir nicht."
Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen BND und NSA ist ein geheimes "Memorandum of Agreement", eine Vereinbarung der beiden Dienste, bei der weder die Regierungen, noch die Parlamente mitgeredet haben. Das ist eigentlich rechtlich nicht zulässig und führt im Ausschuss zu der absurden Situation, dass die Bundestagsabgeordneten nach dem Inhalt dieser Vereinbarung fragen müssen. Allerdings hat auch der Zeuge den genauen Inhalt nicht präsent.
Die Absurdität dieses Ausschusses wird an diesem Nachmittag so deutlich nie zuvor: Der Deutsche Bundestag, die Volksvertretung, hat keine Kontrolle über den Geheimdienst. Und Schuld daran ist die Bundesregierung, die Akten schwärzen lässt und Zeugen die Aussage verbietet. Außerdem wird für jede zweite Antwort die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das behindert die Aufklärung der Affäre noch mehr – denn bisher waren es keine Politiker, die zur Aufklärung beitrugen, sondern Medien und ihre Informanten.
Quelle: ntv.de