Firmen kritisieren hohe Hürden Wenige Flüchtlinge dürfen arbeiten
09.10.2015, 09:47 Uhr
Ein Asylbewerber aus Somalia arbeitet bei einer Firma im brandenburgischen Fürstenwalde.
(Foto: picture alliance / dpa)
800.000 Flüchtlinge werden in diesem Jahr in Deutschland erwartet - viele sind im erwerbsfähigen Alter. Eine Arbeitsgenehmigung haben seit Januar jedoch nur wenige erhalten. Arbeitgeber fordern neue Regeln. Arbeitsministerin Nahles hat dafür einen Vorschlag.
Seit Jahresbeginn haben einem Zeitungsbericht zufolge erst 17.401 Flüchtlinge in Deutschland eine Arbeitsgenehmigung erhalten. In 7700 Fällen habe die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Beschäftigungserlaubnis verweigert, berichtete die "Passauer Neue Presse" unter Berufung auf eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion.
Der Grund war oft die schlechte Bezahlung. Den Regierungsangaben zufolge sind die Ablehnungen im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich gestiegen. 2014 gab es demnach knapp 10.400 Arbeitsgenehmigungen und rund 2460 Ablehnungen - 19 Prozent der Entscheidungen fielen also negativ aus. Im ersten Halbjahr 2015 betrug dieser Prozentsatz dagegen 31 Prozent, also fast ein Drittel.
Grund für die Ablehnung sind immer öfter zu schlechte Beschäftigungsbedingungen, wie die Linke erklärte. Kontrolliert werde von den Arbeitsämtern vor allem, ob die Entlohnung schlechter ist als üblich oder kein Mindestlohn gezahlt wird. Im vergangenen Jahr gab es den Regierungsangaben zufolge 384 solcher Fälle, im ersten Halbjahr 2015 bereits knapp 2500. Ein weiterer wichtiger Ablehnungsgrund ist demnach die Vorrangregelung.
Asylbewerber dürfen während der ersten drei Monate gar nicht in Deutschland arbeiten. Erst nach 15 Monaten fällt die Vorrangprüfung weg: Steht ein Deutscher oder ein EU-Bürger für den Job zur Verfügung, bekommen Asylbewerber keine Beschäftigungserlaubnis.
Die Zahl der erwerbsfähigen Asylbewerber und geduldeten Flüchtlinge in Deutschland beziffert die Bundesregierung auf 310.741 (Stand August 2015). Der Bund erwartet nach offizieller Prognose bis zum Jahresende insgesamt 800.000 Asylbewerber. Arbeitsplätze für Migranten mit hoher Bleibechance gelten dabei als wichtige Voraussetzung für deren Integration.
Praktika für Flüchtlinge
Die Arbeitgeber fordern eine Verkürzung dieser Fristen - denn der Bedarf an Arbeitskräften sei groß. Allerdings haben die Betroffenen auch aus anderen Gründen oft Schwierigkeiten, einen Job zu finden. So fehlen ihnen oft in Deutschland anerkannte Qualifikationen und Abschlüsse. Die stellvertretende Vorsitzende der Linke-Fraktion, Sabine Zimmermann, sagte der Zeitung: "Flüchtlinge dürfen nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen oder als billige Arbeitskräfte missbraucht werden."
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles rief Unternehmen auf, jungen Flüchtlingen Betriebspraktika anzubieten. "Die Firmen sollten Hunderttausenden jungen Leuten für sechs bis zwölf Monate eine Chance geben, in unsere Betriebe über Einstiegsplätze und Praktika hineinzuschnuppern", sagte die SPD-Politikerin der "Süddeutschen Zeitung". Für derartige Einstiegsqualifizierungen müssten die Unternehmen auch keinen Mindestlohn zahlen. Die praktischen Erfahrungen in einem Betrieb könnten gleich mit dem Erlernen der Sprache kombiniert werden.
Mehr Hartz-IV-Empfänger
Nahles rechnet damit, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nicht sofort Arbeit finden wird und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, wenn der Asylantrag anerkannt wurde. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger könne deshalb bis 2019 um eine Million anwachsen. "Wenn wir es richtig angehen und gleich am Anfang in die Leute investieren, dann wird Arbeitslosengeld II nur eine Zwischenstation sein."
Geflüchtete Wissenschaftler aus Krisenländern erhalten derweil bei der Jobsuche Unterstützung von der EU. Beim Treffen der G7-Wissenschaftsminister in Berlin will EU-Forschungskommissar Carlos Moedas für ein neues Internetportal werben, das Flüchtlinge und die europäischen Forschungseinrichtungen in Kontakt bringen soll. Es funktioniert wie ein soziales Netzwerk: Hochschulen und Forschungseinrichtungen stellen ihre Projekte und Jobangebote online, Flüchtlinge können ihre Lebensläufe einstellen und Interesse an einer wissenschaftlichen Tätigkeit bekunden.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP