Politik

Bundespräsidentenwahl vor Gericht Wenn Wahlhelfer das Gesetz nicht kennen

Im altehrwürdigen Verfassungsgericht wurde über nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der österreichischen Demokratie verhandelt.

Im altehrwürdigen Verfassungsgericht wurde über nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der österreichischen Demokratie verhandelt.

(Foto: dpa)

Wurde bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich betrogen? Diese Frage richten die knapp unterlegenen Rechtspopulisten der FPÖ an das Verfassungsgericht in Wien. Der erste Verhandlungstag bringt erstaunliche Unregelmäßigkeiten zutage.

Alexander Majcan ging vor dem Verfassungsgericht zum Gegenangriff über: "Der Vollzug dieser Bestimmung ist fast unmöglich." Er meinte den Paragrafen 14a aus Österreichs Gesetz über die Bundespräsidentenwahl. Der legt fest, dass der Bezirkswahlleiter persönlich bei der Briefwahl die Wahlkarten auf ihre Unversehrtheit und die eidesstaatliche Erklärung des Wählers prüfen, das äußere Kuvert öffnen und das darin enthaltene Wahlkuvert in ein Behältnis legen muss.

"Jeder solcher Vorgang braucht 12 bis 15 Sekunden. Bei 8000 Wahlkarten hätten wir 30 Stunden gebraucht", rechnet der führende Verwaltungsbeamte der Südoststeiermark vor. Also wurde flugs sofort nach Wahlschluss - und nicht wie vom Gesetz verlangt erst um 9 Uhr am Folgetag - die Auszählung gestartet. Daran beteiligten sich auch Menschen, die nicht zur Wahlkommission gehörten.

Solche Aussagen sind typisch für den ersten Tag eines beispiellosen Prozesses über die mögliche Wiederholung der Bundespräsidentenwahl in Österreich. Seit Montag befragen die 14 Top-Juristen des Verfassungsgerichts (VfGH) in Wien insgesamt 90 Zeugen aus den Wahlbehörden.

Praktisch alle Vorwürfe bestätigt

Was sie hören, macht sie nicht glücklich. Große Wahlbezirke wie Innsbruck-Land - allein hier stehen 14.000 Briefwahlstimmen zur Debatte - haben zumindest mit dem Öffnen der äußeren Kuverts in den Stunden nach der Wahl begonnen. Das Problem: Was zu früh auf ist, darf gar nicht mehr gezählt werden. Aber: es wurde gezählt.

Die rechte FPÖ, die die Wahl wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 von 117 Bezirkswahlbehörden angefochten hat, durfte mit dem Auftakt zufrieden sein. Praktisch alle ihre Vorwürfe wurden von den Zeugen im Prinzip bestätigt. Die machten auch klar, dass es keinerlei Anzeichen für einen Wahlbetrug gebe.

Der Nachweis eines Wahlbetrugs ist aber keine zwingende Voraussetzung für eine Wiederholung. Dazu reicht es laut Gesetz schon aus, dass es durch das unkorrekte Prozedere eine Manipulation gegeben haben könnte. Es entstand auch der Eindruck, dass der Umgang mit den Vorschriften zur Briefwahl wohl nicht zum ersten Mal schlampig war.

"Passt eh"

Der Wahlleiter von Innsbruck-Land, der stellvertretende Bezirkschef Wolfgang Nairz, hat nach eigenen Worten seit der Nationalratswahl 2013 ein Mandat für "vorbereitende Wahlhandlungen" - soll heißen: Das Öffnen von Kuverts. Doch dieses Mandat der Wahlkommission erfolgte nur mündlich. "Warum haben sie das nicht dokumentiert?", fragten ihn die Richter.

Die Beisitzer der Wahlkommission, von denen sich einige erst durch den Wirbel um die Präsidentenwahl mit dem Gesetz im Nachhinein vertraut machten, mussten sich von VfGH-Präsident Gerhart Holzinger die Frage anhören: "Warum haben sie das unterschrieben?" Sie hatten mit ihren Namen unter den Sitzungsprotokollen für den korrekten Ablauf der Wahl gebürgt. "Wir haben unterschrieben, weil wir vertraut haben", so eine der Antworten aus der österreichischen Welt des "Passt eh'".

Van der Bellen bleibt entspannt

Das Verfassungsgericht will bis Donnerstag noch die Zeugen anhören. Nächste Woche werde die öffentliche Verhandlung auf jeden Fall weitergehen, schrieb VfGH-Sprecher Christian Neuwirth auf Twitter.

Bisher soll der Grünen-nahe Alexander Van der Bellen am 8. Juli als neuer Bundespräsident vereidigt werden. Er hatte am 22. Mai knapp 31.000 Stimmen mehr als FPÖ-Kandidat Norbert Hofer. Angesichts der juristischen Prüfung kursieren inzwischen auch schon Termine für die Neuauflage der Wahl im Oktober. Van der Bellen gab sich zuletzt auf Facebook betont besonnen: "Es ist unser aller Recht, Österreichs Institutionen anzurufen. Und es ist unser aller Pflicht, deren Entscheidungen zu respektieren."

Quelle: ntv.de, dpa, Matthias Röder

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