Politik

Kabinett in B-Besetzung Westerwelle blickt nach vorn

"Mal schauen, ob jetzt die B-Besetzung den kaum noch zu erwartenden Neustart dieser Regierung schafft", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, zur erstmaligen Kabinettsleitung durch Westerwelle.

"Mal schauen, ob jetzt die B-Besetzung den kaum noch zu erwartenden Neustart dieser Regierung schafft", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, zur erstmaligen Kabinettsleitung durch Westerwelle.

(Foto: REUTERS)

Erstmals tagt die Bundesregierung unter Leitung von Vizekanzler Westerwelle; Kanzlerin Merkel weilt im Urlaub. Der FDP-Chef, dessen Partei derzeit vor allem mit schlechten Umfragewerten glänzt, räumt zwar "Anfangsschwierigkeiten" ein, spricht aber von einer "positiven Zwischenbilanz". Im Streit im die Rentengarantie bremst er seinen Parteikollegen und Wirtschaftsminister Brüderle.

Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) vertritt erstmals Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Sommerurlaub ist, und hat die Sitzung des Bundeskabinetts geleitet. Die Ergebnisse der Kabinettssitzung stellte Westerwelle, dessen Partei zurzeit hauptsächlich durch schlechte Umfragewerte auffällt, anschließend in einer Pressekonferenz selbst vor - was eigentlich unüblich ist.

"Man empfindet es natürlich schon in dem Augenblick auch als eine große Ehre, dass man seinem Land dienen darf", sagte der Vizekanzler und Außenminister nach der ersten Kabinettssitzung unter seiner Leitung. Neben der Kanzlerin hatten sich bereits viele andere Kabinettsmitglieder in die Sommerferien verabschiedet. Insgesamt waren nur 8 von 15 Ministern anwesend, der Rest ließ sich von Staatssekretären vertreten.

"Jedenfalls positive Zwischenbilanz"

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(Foto: dpa)

Trotz der schlechten Umfragewerte und der Streitereien in der Koalition blickt Guido Westerwelle nach vorn. "Es hat Anfangsschwierigkeiten gegeben, aber ich denke, dass die Ergebnisse der Politik, die die Bundesregierung in diesen ersten Monaten miterarbeitet hat, eine positive Bilanz - jedenfalls eine positive Zwischenbilanz - rechtfertigt", sagte der FDP-Chef. Einige Ergebnisse wirkten sich jetzt positiv auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft aus. Die Familien seien entlastet und der Mittelstand sei gestärkt worden. Je mehr dies erkennbar sei, umso mehr könnten die Umfragewerte wieder nach oben gehen. "Ich bin niemand, der selbstgrüblerisch zurückdenkt." Westerwelle sprach auch von unberechtigter Kritik: "Ich bin jemand, der nach vorne schaut."

Hartz-IV-Sätze nicht spürbar anheben

Westerwelle sprach sich gegen eine spürbare Anhebung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose aus. Das Lohnabstandsgebot - nach dem Menschen, die arbeiten, mehr Einkommen haben sollen als Empfänger staatlicher Leistungen - dürfe nicht ignoriert werden, forderte der FDP-Chef. "Arbeit muss sich ganz persönlich, wirklich lohnen", sagte der Vizekanzler.

Rentengarantie derzeit überhaupt kein Thema

Im Streit um die Rentengarantie bremste Westerwelle seinen Parteifreund Rainer Brüderle, der die im vorigen Jahr von der Großen Koalition beschlossene Rentengarantie wieder abschaffen will. "Praktisch stellt sich diese Frage zurzeit nicht", sagte der Bundesaußenminister und Vizekanzler zu den Forderungen des Bundeswirtschaftsministers. "Denn wir rechnen alle damit, dass wir in den nächsten Jahren Einkommenszuwächse bei den Löhnen haben werden", sagte Westerwelle. Außerdem sehe der Koalitionsvertrag mit der Union keine Gesetzesänderung an dieser Stelle vor.

Westerwelle warnte gleichzeitig vor einer Tabuisierung der Debatte. Es sei wichtig, dass solche Fragen über die Zukunft der Sozialsysteme diskutiert würden. "Dass wir eine systematische Debatte über die Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme nicht fürchten sollten, davon bin ich in der Tat überzeugt."

Ex-Koalitionäre: Haben da einen Fehler gemacht

Unterstützung bekam Brüderle aus der Unions-Fraktion. Deren Vizechef Michael Fuchs sagte in der ARD: "Wir haben da meiner Meinung nach letztes Jahr einen Fehler gemacht." Solidarität sei keine Einbahnstraße. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatte gefordert, die Rentengarantie wieder zu kippen. Diese sichert Rentnern zu, dass ihre Bezüge auch bei sinkenden Löhnen nicht gekürzt werden. Sie hatte in diesem Jahr eine Rentenkürzung zum 1. Juli verhindert. CSU-Chef Horst Seehofer hatte eine Gesetzesänderung kategorisch abgelehnt.

Ziemlich genau vor einem Jahr war die Debatte schon einmal hochgekocht, angeheizt von einem Sozialdemokraten. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück meldete "große Zweifel" an, ob die Rentengarantie für nachfolgende Generationen das richtige Signal sei. "Die Gekniffenen sind die heute 25- bis 35-Jährigen, die Kinder in die Welt setzen wollen." Der jetzigen Rentnergeneration gehe es - so Steinbrück damals - "so gut wie niemals einer zuvor." Der SPD-Politiker erntete dafür jede Menge verbale Prügel. Er wurde zurückgepfiffen und musste klarstellen, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, die von der Großen Koalition gemeinsam beschlossene Rentengarantie infrage zu stellen.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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