Politik

Chef der Innenministerkonferenz "Brauchen die Bundeswehr im Landesinnern"

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Flüchtlinge in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen

(Foto: picture alliance / dpa)

Die deutschen Bundesländer stoßen in der Flüchtlingskrise an ihre Grenzen. In einigen Wochen drohe Land unter, warnt Klaus Bouillon. Der Chef der Innenministerkonferenz und Innenminister des Saarlands sagt nach einer Konferenz mit seinen Unionskollegen: Die Polizei allein reiche nicht mehr aus, um die Innere Sicherheit zu garantieren.

n-tv.de: Die Landes-Innenminister von CDU und CSU haben sich heute getroffen. Wie überfordert sind die Länder in der Flüchtlingskrise?

Klaus Bouillon: Wir Innenminister sind uns einig: Es muss schnellstmöglich eine europäische Lösung her. Sonst gibt es in einigen Ländern in kurzer Zeit erhebliche Probleme, dann droht Land unter. Die Aufnahmekapazitäten sind in einigen Wochen nicht mehr garantiert. Vor allem in Ballungsräumen und Stadtstaaten gibt es jetzt schon keine Wohnungen mehr.

Sie sprechen von einer europäischen Lösung. In den vergangenen Monaten gab es in dieser Hinsicht kaum Fortschritte.

Heute finden in Berlin wichtige Gespräche mit der türkischen Regierung statt. Außerdem verhandeln wir mit den nordafrikanischen Staaten. Wenn sie ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen, muss man ihnen die Entwicklungshilfe streichen. Notfalls müssen wir überlegen: Wenn sich so viele EU-Staaten weigern, Flüchtlinge aufzunehmen und die vereinbarten Hilfen zu zahlen, dann sollten wir überlegen, finanziellen Leistungen zu kürzen, um sie zum Einlenken zu bewegen. Das ist meine persönliche Meinung.

Der Bundesinnenminister hat die Grenzkontrollen auf unbefristete Zeit verlängert. Vonseiten der Polizei-Gewerkschaft heißt es, das sei personell nicht zu stemmen. Sind die Erwartungen an die Polizei zu hoch?

Die Bundespolizei ist sehr angespannt, es gibt viele Überstunden. Aber wir sind in einer Ausnahmesituation und nicht nur die Polizei macht Überstunden, das gilt zurzeit für viele, auch für Menschen in den Landes-Aufnahmeeinrichtungen. Wir hoffen, dass der Zustrom so schnell wie möglich gebremst wird.

Um die Polizei zu entlasten, habe Sie mit ihren Unionskollegen auch über einen möglichen Bundeswehreinsatz im Innern gesprochen. Gibt es bei Ihnen Einigkeit in dieser Frage?

Grundsätzlich begrüßen die CDU-Innenminister den Einsatz der Bundeswehr im Innern bei Terrorgefahr. Um Rechtssicherheit zu erreichen, regen wir die Erstellung eines Gutachtens an, um feststellen zu lassen, ob dies bereits nach Recht und Gesetz zulässig ist. Für den Fall, dass dies nicht zulässig ist, regen wir eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel der Änderung des Grundgesetzes an. Ein kurzfristiger Einsatz der Bundeswehr wäre, solange die Rechtslage ungeklärt ist, schwierig.

Wie kurzfristig wäre ein Einsatz der Bundeswehr im deutschen Bundesgebiet denkbar?

Ich hoffe, wir kommen nie in eine terroristische Gefährdungssituation, die das nötig macht. Wir brauchen die Bundeswehr schon jetzt. Ohne sie wären viele Landes-Aufnahmestellen nicht funktionsfähig.

Mit wie vielen neuen Flüchtlingen rechnen Sie 2016, und wie viele kann Deutschland noch aufnehmen?

Wenn es so weitergeht, werden es viele. Wir haben in diesem Jahr schon mehr als 70.000 neue Flüchtlinge gezählt. Dabei ist der Januar ein ruhiger Monat. Wenn man es hochrechnet, wären es am Jahresende wieder eine Million. Das können wir nicht verkraften. Dafür ist gar nicht genügend Wohnraum vorhanden. Wir stehen vor einem schwierigen Jahr.

Eine mögliche Grenzschließung wird in diesen Tagen kontrovers diskutiert. Sind die Unions-Innenminister dafür?

Wir gehen davon aus, dass die getroffenen Maßnahmen bis März greifen. Sollte der Zustrom nicht spürbar gebremst werden, wird diese Frage neu diskutiert werden.

Und wenn sich die Lage bis März nicht bessert?

Ich bin optimistisch, dass die Maßnahmen greifen. Bis März werden wir vielerorts eine einheitliche Registrierung und Flüchtlingsausweise haben. Außerdem gibt es Kürzungen, wenn die Menschen bei ihrer Identitätsfeststellung nicht mitwirken. Insoweit bleiben die nächsten zwei bis drei Monate zunächst abzuwarten.

Die Kanzlerin sagt "Wir schaffen das". Schaffen wir das wirklich?

Die Menschen sind ungeduldig, wir haben keine Zeit, es muss jetzt schnell gehen. Die Sicherheit unserer Bürger ist das höchste Gut. So etwas wie in Köln darf nie wieder passieren. Wir prüfen die Möglichkeit der Videoüberwachung und auch neue Entschlüsselungstechniken. Für Februar planen wir eine Sonder-Innenministerkonferenz, um mit allen Erfahrungen auszutauschen, wie wir uns noch verbessern können.

Mit Klaus Bouillon sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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