Politik

Pistorius bei Lanz "Wir wollen nicht Kriegspartei werden"

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"Wir setzen Streubomben nicht ein, auch wenn Russland dies tut", sagt Pistorius.

(Foto: picture alliance/dpa)

Knapp ein Jahr nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist Bundesverteidigungsminister Pistorius zu Gast in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". In der Sendung am Mittwochabend erklärt er unter anderem, warum Deutschland keine Kampfjets an die Ukraine liefern wird.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat Lieferungen von Kampfjets aus Deutschland an die Ukraine ausgeschlossen. Auch die Erfüllung der ukrainischen Forderung nach Phosphor- und Streubomben lehnt der Minister ab. "Wir sind Unterzeichner der entsprechenden Konvention. Darin haben wir gesagt, wir benutzen keine Streubomben mehr, und wir halten sie auch nicht mehr vor. Und wir sagen, auch die Handlung des Stärkeren bricht nicht das Recht. Und das bedeutet: Wir setzen Streubomben nicht ein, auch wenn Russland dies tut."

Pistorius spricht hier von der Oslo-Konvention, die den Einsatz, die Herstellung, den Transfer und die Lagerung von Streumunition verbietet. Bis heute haben 123 Länder den Vertrag unterschrieben, der am 1. März 2010 in Kraft getreten ist. Verschiedenen Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden auch im Ukraine-Krieg Streubomben eingesetzt - mit verheerenden Folgen. So wurden im vergangenen August in Charkiw im Nordosten der Ukraine mehrere Krankenhäuser durch Streumunition zerstört.

In den ersten sechs Monaten des Krieges sollen russische Streitkräfte in Hunderten Angriffen Streubomben eingesetzt haben. Deutlich weniger derartige Einsätze sind von der ukrainischen Armee bekannt. Menschenrechtsorganisationen sprechen von drei Angriffen mit Streubomben. Dabei handelt es sich um Behälter, die viele kleine Submunitionen enthalten. Die werden über eine breite Fläche verteilt. Das Fatale daran: Viele dieser kleinen Bomben explodieren beim Aufprall nicht und bleiben dann als gefährliche Blindgänger liegen.

Im Ukraine-Krieg könnten in nächster Zeit Kampfjets wichtig werden. "Da können wir uns aber ein wenig zurücklehnen, weil wir die von der Ukraine geforderten Kampfjets gar nicht haben und auch nicht fliegen", sagt der Minister bei Lanz. Er schränkt jedoch ein: "Wenn Nationen, die diese Kampfjets haben, sich für eine Lieferung entscheiden, haben wir das mitzutragen."

Ukraine nicht im Stich lassen

Die Forderung nach einem Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine könne er verstehen, sagt Pistorius. "Aber es bleibt leider im Augenblick nichts anderes übrig, wenn wir die Ukraine nicht im Stich lassen wollen." Auch dafür gebe es eine breite Mehrheit. Russlands Präsident Putin führe nicht nur Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die gesamte freie Welt, "die Welt des freien Denkens, der Freiheit und der Demokratie. Denn davor hat er Angst."

Pistorius könne jeden verstehen, der nicht in diesen Krieg hineingezogen werden wolle. "Und auch die Bundesregierung hat klar gesagt: Wir wollen und wir werden nicht Kriegspartei werden. Das muss man immer wieder deutlich sagen." Keine Waffen zu liefern und damit zu sagen, die Ukraine müsse klein beigeben, könne aber nicht die Lösung sein. Russland dürfe mit diesem Krieg nicht durchkommen, betont Pistorius. Am Ende müsse die Ukraine über den Weg entscheiden, den sie gehen wolle. "Und wir müssen dann entscheiden, ob wir diesen Weg mitgehen."

NATO verteidigungsfähig

Zu den Aufgaben von Boris Pistorius gehört in der nächsten Zeit die Restrukturierung der Bundeswehr. In den vergangenen dreißig Jahren habe man gedacht, die Bundeswehr würde bestenfalls für Kriseninterventionen im Ausland gebraucht. An Landesverteidigung habe niemand gedacht, und das sei auch nachvollziehbar gewesen, so Pistorius. "Jetzt erweisen sich die damaligen Entscheidungen als teuer, weil wir die Bundeswehr neu ausstatten müssen." Im Moment sei die Bundeswehr nur für kurze Zeit verteidigungsfähig, mehr dürfe er nicht sagen, erklärt der Minister. Bei einem Angriff sei die Verteidigung in Europa aber ohnehin Sache des NATO-Bündnisses.

Bis 2024 müssen alle NATO-Mitgliedsstaaten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben. Daran werde auch Deutschland nicht vorbeikommen, so Pistorius. Für Deutschland wären das jährlich 77 Milliarden Euro - statt wie bisher 50 Milliarden. Niemand erwarte eine sofortige Erhöhung der Verteidigungsausgaben, sie werde Schritt für Schritt erfolgen. "Entscheidend ist der Weg, den wir dahin gehen", sagt der Verteidigungsminister.

Für die Neuausstattung der Bundeswehr fordert Pistorius eine Aufstockung des Verteidigungshaushalts von 10 Milliarden Euro jährlich. So müssten neue Kampfpanzer, Kampfflugzeuge und vor allem Munition angeschafft werden, sagt Pistorius. Und er verspricht: Sein Ministerium werde dafür sorgen, dass benötigtes Material deutlich schneller beschafft werde.

Quelle: ntv.de

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