"Pfad für Einhaltung" Wissing setzt für Klimaziele auf E-Autos, Fahrräder und ÖPNV
13.07.2022, 17:23 Uhr
Wissings vorgelegte Maßnahmen überzeugen auch die Grünen als Koalitionspartner nicht.
(Foto: dpa)
Gleich um drei Millionen Tonnen CO2 überschreitet der Verkehrssektor das Klimaziel. Verkehrsminister Wissing will deshalb etwa das Ladenetz für Elektroautos und den Radverkehr ausbauen. Vom Tempolimit sieht er ab. Seine Maßnahmen kommen selbst beim Koalitionspartner nicht gut an.
Um eine Lücke zu Klimazielen zu schließen, will FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing das Ladenetz für Elektroautos und den Radverkehr ausbauen. Das geht aus einem vorgelegten Sofortprogramm zur Einhaltung der Klimaziele im Verkehrssektor vor. Wissing sagte in Berlin, der Verkehrssektor werde zurück auf den "Pfad der Einhaltung der Klimaziele" geführt. Für den Ausbau der öffentlichen Pkw- und Lkw-Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren meldet Wissing mehr Geld im Haushalt an. Es werde davon ausgegangen, dass weitere Haushaltsmittel im Umfang von etwa acht Milliarden Euro erforderlich seien, heißt es.
Wissing musste ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, weil der Verkehrssektor im vergangenen Jahr die im Klimaschutzgesetz festgelegte CO2-Jahresemissionsmenge überschritten hat. Im Jahr 2021 wurden die Emissionsziele des Verkehrssektors um etwa drei Millionen Tonnen CO2 überschritten. Mit dem Maßnahmenpaket werde die Differenz vollständig ausgeglichen, so Wissing.
Mit einem flächendeckenden Ladenetz für E-Autos soll der weitere Hochlauf der Elektromobilität sowie bei Nutzfahrzeugen vorangetrieben werden. Geplant ist außerdem eine "Ausbauoffensive" beim Radverkehr. Beim geplanten Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs bekräftigte Wissing, dass er zunächst Ergebnisse einer Evaluierung des 9-Euro-Tickets im Nah- und Regionalverkehr abwarten wolle - dieses läuft Ende August aus. Wissing verwies außerdem auf eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zu Reformen im ÖPNV. Der Minister sprach sich erneut für einfachere Tarifstrukturen aus. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnte Wissing erneut ab. Er müsse abwägen zwischen der schnellen Erreichung der Klimaziele und den Anforderungen und auch der Akzeptanz der Gesellschaft für Maßnahmen andererseits, sagte er.
Zur Tatsache, dass die Bundesregierung bisher kein gesamtes Klimaschutz-Sofortprogramm vorgelegt hat, sagte Wissing, es gebe noch Gesprächsbedarf. Er sei davon überzeugt, dass man hier sehr schnell vorankommen könne und bereit, Kompromisse einzugehen.
Wissing erntet herbe Kritik - auch vom Koalitionspartner
Wissings Sofortprogramm stieß auf große Kritik, auch von den Grünen als Koalitionspartner. Wissing müsse effektive Maßnahmen vorlegen, statt sich im Klein-Klein zu verlieren, sagte die Grünen-Energiepolitikerin Lisa Badum. "Es liegen so viele Maßnahmen auf dem Tisch: Abbau der klimaschädlichen Subventionen oder die Reform des Dienstwagenprivilegs und der Kfz-Steuer. Das Ministerium muss runter von der Bremse und jetzt die Mobilitätswende anschieben." Greenpeace-Sprecherin Marion Tiemann sagte: "Volker Wissing flüchtet sich beim Klimaschutz in nebulöse Förderzusagen und blockiert weiter schnell wirksame Schritte wie ein Tempolimit."
Auch von der Deutschen Umwelthilfe hagelt es Kritik. Es brauche "ehrliche, kurzfristig wirksame Maßnahmen, die den Energieverbrauch sofort reduzieren". Die Aktivisten fordern unter anderem ein Tempolimit auf Autobahnen, ein Verbot von Kurzstreckenflügen und die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets für den öffentlichen Nahverkehr.
Bauministerin Geywitz muss auch nachlegen
Der Gebäudesektor hatte im vergangenen Jahr ebenfalls die Klimavorgaben nicht eingehalten und zwei Millionen Tonnen Treibhausgas zu viel ausgestoßen. Bauministerin Geywitz stellte deshalb ein gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck erarbeitetes Sofortprogramm vor. Große CO2-Einsparungen verspricht sich Geywitz von der Umstellung und Optimierung von Heizsystemen. "Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Häuser beheizen, verändern", sagte die Ministerin. Konkret geplant ist etwa, dass ab 2024 keine neuen Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen.
Einbaustopp für Gasheizungen kommt zu spät
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht dir Richtung des Programms durchaus positiv, bemängelt aber den Zeitplan. "Der Einbaustopp für klimaschädliche Gasheizungen ab 2024 kommt zu spät", erklärte BUND-Chef Olaf Bandt. Auch aus der Wirtschaft kam Kritik. "Die Umstellung von Heizungssystemen auf erneuerbare Energien muss Hand in Hand mit der energetischen Optimierung der Gebäudehülle gehen", erklärte Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe. "Denn die Energieleistung von rein regenerativen Energien ist für ungedämmte Gebäude zu niedrig."Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes der Wohnungswirtschaft, sieht "ambitionierte Vorhaben" des Bauministeriums, die allerdings "die aktuelle Mangelsituation bei den notwendigen Materialien und Fachkräften für Sanierungen" ausblende. Viel hänge zudem von einer ausreichenden finanziellen Förderung ab, die bislang nicht feststehe.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP