Gerichtsprozesse im Überblick Zu seiner Verteidigung hat Trump zwei Asse im Ärmel


In den kommenden Wochen sitzt Donald Trump in New York auf der Anklagebank.
(Foto: via REUTERS)
Donald Trump muss sich wochenlang der Justiz stellen, der erste Strafprozess gegen einen früheren US-Präsidenten ist in vollem Gange. Und seine vielen anderen juristischen Probleme? Manche könnten sich plötzlich in Luft auflösen.
Es ist einfach, den Überblick zu verlieren. Donald Trump, designierter US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, ist in einer gefühlten Myriade juristischer Probleme gefangen. Auch wenn der Ex-Staatschef versucht, die Prozesse zu seinem Vorteil im Wahlkampf zu nutzen, hat er damit derzeit keinen messbaren Erfolg bei der Wählerschaft. Im Gegenteil: In den vergangenen Wochen konnte sein Rivale Präsident Joe Biden in Umfragen leicht Boden gut machen.
Nicht wenige Republikaner sagen, es komme auf die Urteile an. Einem verurteilten Straftäter würde ein potenziell entscheidender Anteil von ihnen nicht ihre Stimme geben. Doch Trump kämpft um sich und seine Karriere. Er hat zwei mögliche Asse im Ärmel. Ob er sie ziehen kann, hängt vom Supreme Court sowie dem Ausgang der Präsidentschaftswahl im November ab. Bis dahin beschäftigen die folgenden Prozesse Trump und dessen Anwälte.
Der Schweigegeldprozess
Aktuell sind die Augen auf Manhattan gerichtet, wo Trump sich für Absprachen und Zahlungen zwischen 2015 und 2017 verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe in Zusammenarbeit mit einem Medienkonzern und dessen Magazin "National Enquirer" die Rechte für Informationen über Sex- und Liebesaffären gekauft, um eine Veröffentlichung vor der Präsidentschaftswahl 2016 zu verhindern und seine Wahlchancen zu erhalten. Dies habe er dann vertuscht. Die Anklage muss beweisen, dass Trump aus politischen Motiven handelte; dann wäre es illegale Wahlkampffinanzierung. Hinzukommt in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Steuerhinterziehung.
Die Verteidigung versucht hingegen zu belegen, dass Trump nur aus privaten Gründen handelte. Schweigegeldzahlungen sind nicht verboten, ebenso wenig, dass private Medien sich auf die Seite eines Kandidaten schlagen. "Es nennt sich Demokratie", sagte einer von Trumps Anwälten in seinem Eröffnungsplädoyer. Vier Tage die Woche muss der Ex-Staatschef im Gerichtssaal sitzen, statt durch die Bundesstaaten zu touren. Der Prozess wird mehrere Wochen dauern. Im äußersten Fall könnte Trump ins Gefängnis wandern.
Update: Die Geschworenen haben Trump in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Das Strafmaß hat der Richter für den 11. Juli angekündigt.
Die Geheimdokumente
Trump lagerte nach dem Ende seiner Präsidentschaft mehrere Kisten mit Dokumenten in seinem Privatwohnsitz in Mar-a-Lago, manche davon als geheim eingestuft. Er hätte sie übergeben müssen, was er aber nicht tat. Als er sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht herausrückte, holte sie das FBI im August 2022 bei einer Razzia aus dem Anwesen in Florida. Jack Smith, der Sonderermittler des Justizministeriums, hat Trump deshalb angeklagt; wegen illegalen Besitzes von Geheimdokumenten, Behinderung offizieller Vorgänge, und der Verschwörung mit einem Angestellten, um Videoaufnahmen von Überwachungskameras zu löschen. Zudem soll der Ex-Präsident Besuchern stolz Geheimdokumente gezeigt haben.
Der Prozessbeginn ist für den 20. Mai angesetzt, wird aber voraussichtlich in die Zukunft verschoben - womöglich sogar bis nach der Wahl im November. Auf die Vergehen stehen Haftstrafen. Trump könnte sich im Falle eines Wahlsieges als neu vereidigter Präsident auch selbst begnadigen oder schlichtweg das im Justizministerium angesiedelte Ermittlerteam auflösen lassen. Eine erneute Präsidentschaft ist also das erste legale Ass, das er noch im Ärmel hat. Wie er es spielen kann, hängt auch von einer Entscheidung des Obersten Gerichts über seine mögliche Immunität ab. Mehr dazu weiter unten bei "Unangreifbar?"
Update: Der Prozessbeginn wurde ausgesetzt, bis der Supreme Court über eine mögliche Immunität Trumps entschieden hat. Siehe "Unangreifbar?"
Der Aufstand vom 6. Januar
Sonderermittler Smith klagt Trump zudem wegen des Versuches an, trotz des Wahlsieges von Joe Biden 2020 an der Macht zu bleiben. Laut der Ermittler verbreiteten der damalige Präsident und seine Mitarbeiter wider besseres Wissen Lügen über angeblichen Wahlbetrug zum Vorteil Bidens. Trump hat demnach Druck auf Amtsträger in den Bundesstaaten ausgeübt und versucht, Wahlleute - die nach der Wahlnacht entsprechend des Ergebnisses von den Bundesstaaten entsandt werden, um den Präsidenten in Washington zu wählen - durch seine eigenen zu ersetzen.
Zudem habe der Unterlegene auf seinen Vizepräsidenten Mike Pence Druck ausgeübt. Trump wollte demnach, dass Pence am 6. Januar in seiner Funktion als Senatsvorsitzender die Wahlleutestimmen nicht auszählt. Zugleich stürmten Trumps Anhänger gewaltsam den Kongress, was der Ex-Präsident zu seinem Vorteil habe nutzen wollen. Er ist in vier Punkten angeklagt, auch hier könnte der Richter sich für eine Gefängnisstrafe entscheiden. Die Richterin hat den Fall jedoch unterbrochen, bis der Supreme Court über eine mögliche Immunität von Trump entscheidet - siehe "Unangreifbar?"
Die falschen Wahlleute von Georgia
Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Georgia führt wegen dieser Vergehen ihre eigene Klage gegen Trump und 18 weitere Beteiligte als kriminelle Organisation. Darunter ist auch Anwalt Rudy Giuliani. Georgia war einer der Schlüsselstaaten für Bidens Wahlsieg, und der dortigen Staatsanwaltschaft zufolge versuchte Trump mit verschiedenen Mitteln, die knappe Niederlage in einen Erfolg umzuwandeln. Dazu gehören der berüchtigte Anruf bei Georgias oberstem Wahlverantwortlichen, damit dieser "Stimmen findet", die Belästigung eines Wahlmitarbeiters im wichtigsten Wahlkreis des Bundesstaates, sowie illegale Datenkopien von Wahlmaschinen.
Bislang ist kein Datum für einen Verhandlungsbeginn angesetzt. Trump könnte sich im Fall einer Verurteilung nicht selbst begnadigen, weil es Bundestaatssache ist. Allerdings gilt: Erklärt der Supreme Court Trump wegen seiner (Ex-)Präsidentschaft für immun, wäre der Prozess so gut wie beendet, bevor er begonnen hat.
Der Betrugsprozess
Trump und die Trump Organisation, unter der er seine Geschäfte betreibt, sollen jahrelang systematisch den Wert seines Besitzes zu hoch angegeben haben, um an günstigere Kredit- und Versicherungsbedingungen zu kommen. Das New Yorker Zivilgericht verurteilte ihn zur Zahlung von 454 Millionen US-Dollar Strafe. Trumps Anwälte haben das Urteil wegen angeblicher Befangenheit des Richters angefochten. Der Berufungsprozess soll im September stattfinden und etwa einen Monat dauern. Trotzdem musste der Ex-Präsident bereits Sicherheiten in Höhe von 175 Millionen US-Dollar vorweisen.
Vergewaltigung und üble Nachrede
Ebenfalls bereits verurteilt ist Trump in dem Verleumdungsprozess von der Autorin Jean Carroll. Sie hatte 2019 Vorwürfe veröffentlicht, Trump habe sie in den 1990er Jahren in einer Umkleide vergewaltigt. Dieser behauptete, Carroll habe die Geschichte nur erfunden, um ein Buch einfacher verkaufen zu können und ihm politisch zu schaden. Zudem sei Carroll "nicht mein Typ". Sie verklagte Trump wegen übler Nachrede und gewann in erster Instanz. Trump soll ihr nun insgesamt 83,3 Millionen Dollar zahlen. Der Ex-Präsident nannte die Entscheidungen "ausufernd" und hat Berufung eingelegt. Ziel wird sein, die Summe zu verringern. Die vollen 83,3 Millionen Dollar plus 10 Prozent als Sicherheit musste er bereits hinterlegen. Danach verklagte Carroll ihn wegen des sexuellen Missbrauchs und gewann ebenfalls. Trump soll ihr deshalb 5 Millionen Dollar zahlen. Auch dagegen ging er in Berufung.
Update: Im Fall der 83,3 Millionen Dollar lehnte ein Gericht die Berufung im April 2024 ab. Das Urteil zur üblen Nachrede ist damit rechtskräftig.
Unangreifbar?
Mit mehreren Entscheidungen kann das Oberste Gericht die beschriebenen Anklagen um Trump signifikant beeinflussen. Am Donnerstag, 25. April wird der Supreme Court sich die Argumente für und gegen eine präsidentielle Immunität anhören. Trump und seine Anwälte behaupten, dass ein Ex-Staatschef nicht für Taten verurteilt werden könne, die er während seiner Amtszeit begangen hat. Im Detail geht es darum, was als Handlung im Rahmen seiner offiziellen Funktion gilt und was als Kandidat oder Privatinteresse.
Solche Abgrenzungen sind bei einer öffentlichen Person wie Trump schwierig zu ziehen. Es ist möglich, dass der Supreme Court mit seinem Urteil die Frage an untere Instanzen zurückverweist, um feststellen zu lassen, was überhaupt als Amtshandlung gilt und was nicht. Dies würde insbesondere den Beginn der zwei Fälle von Jack Smith - zum Aufstand vom 6. Januar und der Geheimdokumente - weiter hinauszögern. Wird Trump erneut Präsident, könnte er intern darauf drängen, die Anklagen gegen ihn fallenzulassen. US-Justizminister sind Teil der Regierung und zugleich oberste Staatsanwälte.
Das Oberste Gericht soll in einem anderen Fall auch darüber entscheiden, ob ein Gesetz, unter dem Trump wegen "Behinderung offizieller Verfahren" angeklagt ist, überhaupt für ihn anwendbar ist. Mehrere Anklagepunkte zum 6. Januar und den Geheimdokumenten könnten sich in Luft auflösen. Seine Entscheidungen verkündet der Supreme Court üblicherweise im Juni, spätestens im Juli. Dann wird klarer werden, wohin Trumps juristische Probleme ihn führen.
Quelle: ntv.de