Politik

Cameron trifft Merkel Zwei Politiker in der Zwickmühle

Kanzlerin Merkel und Premierminister Cameron geben sich kollegial.

Kanzlerin Merkel und Premierminister Cameron geben sich kollegial.

(Foto: REUTERS)

Kanzlerin Merkel bereitet dem britischen Premier einen überraschend friedfertigen Empfang. Plötzlich schließt sie Änderungen der EU-Verträge nicht aus. Allzu große Hoffnungen, kann sich Cameron trotzdem nicht machen.

Schon auf dem EU-Gipfel in Riga vor einer Woche ahnte David Cameron, was ihn auf seiner Werbetour durch Europa erwarten würde: "Viel Krach", sagte er, "viel Auf und Ab". Recht hatte er. Das zeigt sich auch bei seinem Besuch bei Angela Merkel in Berlin.

Cameron will die EU reformieren und den euroskeptischen Briten damit einen Grund liefen bei ihrem In-Out-Referendum für die weitere Mitgliedschaft zu stimmen. Klar ist für den Premierminister, dass dafür Änderungen des Lissabon-Vertrags notwendig sind. Kurz nach dem Gipfel in Riga erlebte Cameron allerdings sein erstes "Ab". Die Bundeskanzlerin ließ ihn gewaltig auflaufen. Ein eigentlich vertrauliches deutsch-französisches Papier drang an die Öffentlichkeit. Der Tenor: Die EU braucht eine weitere Vertiefung, die Mobilität von Arbeitnehmern muss unterstützt werden, keine Vertragsänderungen.

Im Bundeskanzleramt bereitete Merkel ihm nach diesem Rüffel dann aber ein erstaunlich warmes "Auf". Bei der gemeinsamen Pressekonferenz zeigt sie viel Kompromissbereitschaft. "Ich möchte eine Lösung finden", sagt die Kanzlerin. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Schon jetzt gebe es ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Eine Änderung der europäischen Verträge schließt Merkel ausdrücklich nicht aus. Sie sagt gar, dass Änderungen "gegebenenfalls" sogar im deutschen Interesse sein könnten.

Es gibt rote Linien

Laut Merkel gibt es zwar "rote Linien". Dazu gehören für sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Grundprinzipien des gemeinsamen Marktes. Allerdings sagt sie auch, dass die EU keine Sozialunion sei. Das muss gut klingen in Camerons Ohren. Eines seiner zentralen Ziele ist es schließlich, Sozialleistungen für EU-Ausländer für die ersten vier Jahre in Großbritannien zu streichen, um "Sozialmissbrauch" zu verhindern. Merkels Worte kann er als Offenheit für diesen Schritt interpretieren, zumal die Kanzlerin andeutet, dass auch Deutschland sich in diesem Punkt Reformen vorstellen könne. Sie wolle erst über Inhalte sprechen, dann über Formsachen - darüber, ob Vertragsänderungen nötig sind oder nicht. Cameron stimmt in diese Argumentation ein: "Europa muss ausreichend flexibel sein, so wie ein Netzwerk, nicht wie ein Block." Und auch er sagt: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."

Woher dieser Stimmungswechsel? Das Auf und Ab der vergangenen Woche macht sehr deutlich, dass nicht nur Cameron in einem Dilemma steckt, weil er den euroskeptischen Briten Dinge versprochen hat, die er wohl nicht erfüllen kann, sondern auch Merkel. Die Kanzlerin will, dass Großbritannien in der EU bleibt. Sie kann Cameron keine Brachialabfuhr geben, weil die Briten sonst am Ende Nein zur EU sagen könnten. Sie ist zugleich aber auch die britische "Rosinenpickerei" leid. Am Ende dieses Auf-Ab-Prozesses, der sich noch länger hinziehen dürfte, stehen wohl ein paar weitere kleine Zugeständnisse an Großbritannien. Ungewiss ist, ob sie ausreichen, damit Cameron sie Zuhause noch als Reformen für eine "bessere EU" verkaufen kann.

Quelle: ntv.de

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