Was will der Premier eigentlich? Cameron geht auf "Shoppingtour"
28.05.2015, 15:19 Uhr
Großbritanniens Regierungschef Cameron besucht das Festland. Er will den Staats- und Regierungschefs Reformen an der EU abtrotzen. Was genau er fordert, enthält er der Öffentlichkeit allerdings noch vor. Aus guten Grund.
Ja oder Nein zur EU - diese Frage will David Cameron den Briten spätestens 2017 stellen. Seit der frisch wiedergewählte Premierminister mit einem "In-Out"-Referendum für sich wirbt, also seit mehr als zwei Jahren, macht er aber auch immer eines klar: Die Briten sollen nicht über die EU in ihrem jetzigen Zustand abstimmen, sondern über das, was er die "reformierte" oder "bessere EU" nennt.
Das Referendum ist mittlerweile beschlossene Sache, und seit Montag wirbt Cameron verstärkt für die Schritte, die zu seiner "besseren EU" führen sollen. Erst lud er EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf seinen Landsitz ein. Heute Mittag war er beim niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Den Haag. Es folgen ein Besuch bei Frankreichs Präsident François Hollande am Abend, bei Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz an diesem Freitag - und danach bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Bis zum nächsten EU-Gipfel Ende Juni will er auch die Spitzenpolitiker aller anderen Mitgliedstaaten besuchen. Eine gewaltige Tour, eine große Anstrengung. Die Öffentlichkeit hat er trotzdem noch nicht darüber aufgeklärt, was er damit eigentlich genau erreichen will.
Britische Medien werten deshalb alte Reden Camerons aus, rekapitulieren Interviews, um eine genauere Vorstellung davon zu bekommen, was der Premier erreichen möchte. Das Ergebnis: Ein halbes Dutzend mehr oder weniger schwammiger Punkte:
- EU-Ausländer in Großbritannien sollen in den ersten vier Jahren ihres Aufenthalts von allen Sozialleistungen ausgeschlossen sein.
- Das Königreich soll das Recht bekommen, beim Kurs der immer weiteren Vertiefung, auf den sich die EU verständigt hat, nicht mitmachen zu müssen (opt-out).
- Ein Schutzmechanismus soll Grobritannien und andere Nicht-Euro-Staaten davor bewahren, von der Euro-Zone benachteiligt zu werden. Zum Beispiel, wenn es um den gemeinsamen Binnenmarkt geht.
- Ein weiterer Ausbau des EU-Binnenmarktes.
- Mehr Einfluss für die nationalen Parlamente.
- Weniger Brüsseler Bürokratie.
- Die Möglichkeit nationaler Parlamente, sich zusammenzuschließen, um Gesetzesvorhaben zu verhindern.
Cameron hat ein eng begrenztes Budget
Ob diese Liste so vollständig ist, auf welche Punkte Cameron besteht und auf welche nicht - all diese Dinge sind genauso wie viele Details noch nicht bekannt. Denn auch von Gesprächen, die der Premierminister bereits geführt hat, drangen kaum Informationen nach draußen. Nach dem Treffen mit Juncker sagte der nur: Er werde sich für "einen fairen Deal" für Großbritannien einsetzen. Auch Cameron äußerte sich nicht zu Einzelheiten.
Der irische Europaminister Murphy Dara, der Camerons Reformwillen im Prinzip unterstützt, sagte bereits vor Tagen, die Briten sollten erst einmal klar sagen, was sie überhaupt wollten. Dann könne man entscheiden, ob überhaupt eine EU-Vertragsänderung nötig sei.
Cameron will offensichtlich keine Erwartungen wecken, die er am Ende nicht erfüllen kann. Der Premierminister stieß das EU-Referendum in seiner Heimat zwar an. Dieser Schritt gilt aber als strategischer Winkelzug. Das Referendum gilt als Druckmittel im Streit mit Brüssel, um mehr für das Königreich herauszuholen. Den "Brexit" will er eigentlich gar nicht. Würde er ihn wirklich wollen, müsste er sich die Mühe seiner Tour für eine "bessere EU" nicht antun. Das Problem ist nur: Sollte Cameron jetzt nicht genug für das Königreich herausholen, könnten sich die Briten gegen die EU-Mitgliedschaft entscheiden. Die wirtschaftlichen Folgen wären für Großbritannien Studien zufolge verheerend.
Cameron versucht deshalb im Geheimen auszuloten, was überhaupt möglich ist. Erst beim EU-Gipfel Ende Juni wird er seine "Shopping List" (Einkaufsliste) der Öffentlichkeit präsentieren. Praktisch. Bis dahin will er ja mit allen Staats- und Regierungschefs gesprochen haben und dürfte wissen, was er sich leisten kann.
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande machten bereits deutlich, dass Reformen, die Änderungen des Vertrages von Lissabon voraussetzen, sein Budget übersteigen. Kurz vor dem Start von Camerons Tour zitierte die Tageszeitung "Le Monde" aus einem eigentlich noch vertraulichen deutsch-französischen Papier zu künftigen Reformen der EU - das Wort Vertragsveränderungen kommt nicht vor.
Quelle: ntv.de