Annährung in Kalifornien Xi zeigt Biden sein Auto - und sendet Signal in die Welt
18.11.2023, 11:42 Uhr Artikel anhören
Zu verlieren gab es nicht viel, die Beziehungen zwischen den USA und China waren auf dem Tiefpunkt. Aber der US-Präsident wird dieses Treffen als Erfolg mit zurück ins Oval Office nehmen. Nicht mal das Wort "Diktator" ändert das.
"Das ist ein tolles Auto", sagt Joe Biden, als er seinen Gast Xi Jinping zu dessen Limousine begleitet. Der chinesische Staatschef lässt umgehend die Tür öffnen, um dem amerikanischen Autofan Biden stolz zu demonstrieren, was China mittlerweile im Autobereich zustande bringt. Nachdem der US-Präsident sich kurz einen Eindruck von der Inneneinrichtung verschafft hat, verkündet er sichtlich mit Stolz, dass sein Cadillac sogar einen Namen habe. Der Secret Service nennt es "Beast". Beide lächeln.
Zwei männliche politische Alphatiere reden über Autos - das chinesische Fernsehen hat diese Bilder gezielt veröffentlicht. Was sie aussagen sollen: Hier plaudern Vertraute, die sich bestens verstehen. Nur die Pausen, die die Übersetzer brauchen, machen das Gespräch zwischen dem 80-jährigen Biden und dem 70 Jahre alten Xi ein wenig ungelenk. Aber auch die Schlussszene dieses durchchoreografierten Gipfels, bei dem Sitz- und Blickrichtung zuvor detailversessen diskutiert worden waren, geht um die Welt. Bilder, die sicher auch in Teheran, Moskau und andernorts wahrgenommen werden. China und die USA sind wieder im Gespräch. "Es waren die konstruktivsten und produktivsten Diskussionen, die wir je geführt hatten", wird Biden später sagen.
Xi kennt die USA aus den 1980er-Jahren
Der bilaterale Supermächte-Gipfel hat den eigentlichen Anlass überstrahlt. Die Asiatisch-Pazifische-Wirtschaftsgemeinschaft APEC hält mit ihren 21 Mitgliedern ihr Jahrestreffen ab. Die USA als größte und China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gehören dazu. Gastgeber sind dieses Jahr die USA, San Francisco, die Stadt am Pazifik, hat den Zuschlag als Konferenzort erhalten. Das Weiße Haus sah die Chance, am Rande des Gipfels die Beziehungen zu China aufzuwärmen. Schon die Zusage aus Peking war ein erster, kleiner Erfolg. Auf diesem Niveau der internationalen Diplomatie sagt es immer etwas aus, wer zu wem reist. Xi ist persönlich in die USA gekommen, statt einen Vertreter zu schicken. Zugleich kann er das Gesicht wahren, weil er nicht in Washington antreten musste, sondern an der Westküste das APEC-Treffen als Gelegenheit nutzen konnte.
Xi kennt die USA. 1985 ließ er sich als Funktionär der Kommunistischen Partei Chinas durch das ländliche Iowa führen, die Bilder des Chinesen auf dem Mähdrescher wurden gerade wieder aus den Archiven geholt. Und Xi kommt es gerade recht, zeigen zu können, dass er nicht nur mit Politikern kann. Einige der Bauern von damals lud er zum Gipfel-Dinner ein, für das andere 2000 Dollar zahlen müssen - wer mit Xi persönlich am Tisch sitzen will, zahlt sogar 40.000 Dollar. Beim Treffen mit dem Gouverneur von Kalifornien sagt Xi: "Das Fundament der Beziehungen von China und den USA liegt bei den Menschen, und wir hatten immer Vertrauen in die Menschen." Dabei wissen viele Gouverneure, welch aggressive Politik China betreibt. Einige Bundesstaaten haben Gesetze verabschiedet, damit China dort kein Land mehr kaufen kann.

Xi Jinping besuchte 1985 die Kleinstadt Muscatine in Iowa - er ist der Dritte von links in der hinteren Reihe. Xi war damals Parteisekretär des Kreises Zhengding in Nordchina.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Die weitaus meisten US-Bürger haben ein negatives Bild von China
Wie in den USA im Moment überhaupt kaum jemand gut auf China zu sprechen ist. Laut Pew Research Center haben 83 Prozent der US-Amerikaner ein negatives Bild von dem Land. Der Anfang Februar vom US-Militär über den USA abgeschossene Ballon aus China, der nach amerikanischen Angaben ein Spionage-Instrument war, hat auch nicht dazu beigetragen, dieses Bild zu verbessern. Die Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten setzt außerdem darauf, den Kampf um die Zukunftstechnologien zu gewinnen. Mit einem Gesetz zur Förderung von Chip-Fabriken und Milliarden für neue Technologien will Biden für die USA und in den USA produzieren. Dafür nimmt er enorme Schulden auf. Gleichzeitig sanktioniert er den Export wichtiger Chips an China. Der Wirtschaft dort fehlt es derzeit generell an Wachstum - und das, wo das Wachsen des Wohlstandsniveaus das wichtigste Wahlversprechen der Kommunistischen Partei ist.
Aber der US-Präsident weiß auch, dass die Krisen der Welt ohne China nicht zu lösen sind. Eine Absichtserklärung für mehr Klimaschutz haben beide Seiten noch vor dem Gipfel unterzeichnet. Das Versprechen, den Kampf gegen Drogen zu unterstützen, die aus China über Mexiko in den USA landen, hatte Xi im Dezember 2018 auch schon Donald Trump gegeben. Dennoch steigt die Zahl der Fentanyl-Toten immer weiter an.
Die Generäle sprechen wieder
Dass die Militärs wieder miteinander sprechen, kann wiederum nur deeskalierende Wirkung haben. Deren Funkstille war entstanden, nachdem die damalige demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan reiste. Sie wollte damit jeden Zweifel ausräumen: Sollte China in Taiwan einmarschieren, steht der US-Kongress zu seinem Versprechen, Taiwan militärisch zu unterstützen. Und genau an diesem Punkt wird deutlich, welch wackelige Angelegenheit die neu wiederentdeckte Beziehung zwischen Xi und Biden ist.
"Es ist unrealistisch, dass eine Seite die andere umgestalten kann", sagt Xi als er Biden gegenübersitzt und klarmachen will: Egal, was bei unserem Treffen herauskommt, China bleibt China, mit seinem "Diktator" an der Spitze. Es war der US-Präsident, der nach dem Treffen mit Xi erneut diese Bezeichnung wählte, um den chinesischen Herrscher zu beschreiben, nur um dann nachzuschieben: "Er ist ein Diktator in dem Sinne, dass er (…) ein Land regiert, das - es ist ein kommunistisches Land -, das auf einer Regierungsform basiert, die völlig anders ist als unsere." US-Außenminister Anthony Blinken schaute, als das Wort Diktator fiel, entsetzt zu Boden. Geradezu, als wolle er sagen: monatelange Arbeit, durch ein Wort zunichtegemacht. Aber Xi braucht Biden und beide brauchen diesen Gipfel. Der Skandal über diese Bezeichnung, die Biden schon einmal verwendet hatte, blieb diesmal aus.
Kein Zweifel - wenn diese Weltmächte wieder das Telefon nehmen und einander einfach anrufen können, kann das nur ein Erfolg sein. Gleichermaßen aber ist es eine Beziehung, die von kleinen Störfeuern, wie ungebetenen Besuchen in Taiwan, wieder abgekühlt werden kann. Denn das dürfen auch die harmonisch wirkenden Bilder nicht überdecken: Es waren Biden und Xi, die das Verhältnis binnen eines Jahres auf einen Tiefpunkt haben sinken lassen.
Quelle: ntv.de