Politik

Rechtmäßige Abstimmung? BSW wittert Wahlverschwörung

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Das Bündnis Sahra Wagenknecht scheitert denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei glaubt nicht an eine faire Wahl. Unter anderem wettert ein Europaabgeordneter über "absurde" Umfragen, "gefakte Exit Polls" und Desinformation. Wagenknecht selbst kündigt juristische Schritte an.

Der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi bezweifelt, dass seine Partei bei der Bundestagswahl rechtmäßig an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. "Das war der schmutzigste Wahlkampf der Nachkriegszeit. Gefakte Exit Polls um 10 Uhr (die ein strafrechtliches Nachspiel haben müssen) und wenige Tage vor der Wahl eine 3 Prozent Gaga-Umfrage von Forsa (obwohl wir bei anderen Instituten stiegen)", schrieb der frühere stellvertretende Fraktionschef der Linken auf X. "Es wird über Desinformation zu sprechen sein. Das läuft auch ohne den Kreml!"

In einem weiteren Beitrag auf X legte der Politiker nach. "Heute früh ab 10 Uhr wurden (nach einer massiven Medienkampagne über Wochen und Monate) auch falsche Exit Polls gestreut, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten und nur den Zweck erfüllten, uns keine Chance auf den Einzug zu bescheinigen", heißt es darin. ARD und ZDF hätten dementiert, dass die Exit Polls von ihnen stammten. "Das wird strafrechtlich zu ermitteln sein."

Ähnlich äußerte sich Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. "Man versucht wirklich alles, um #BSW aus dem Bundestag zu drängen", schrieb die Namensgeberin der Partei bereits am Sonntagnachmittag. "Jetzt kursieren auf X Prognosen, die uns sehr niedrige Werte geben, um Leute von der Wahl abzuhalten, angebliche Quelle #ARD. Das ist ein Fake, wie ARD uns gerade bestätigt hat!!! Jetzt erst recht: BSW wählen!"

Grundlage für 18-Uhr-Prognose

Bei Exit Polls handelt es sich um sogenannte Nachwahlbefragungen. Diese werden von Umfrageinstituten am Wahltag in unterschiedlichen Stimmbezirken durchgeführt, um die erste Prognose des Wahlergebnisses zu ermitteln. Dabei werden Wählerinnen und Wähler beim Verlassen des Wahllokals nach ihrer Stimmabgabe befragt. Die Prognosen werden um 18 Uhr von ARD und ZDF veröffentlicht, also mit Schließung der Wahllokale.

Mit der späten Veröffentlichung soll die Beeinflussung von Wahlberechtigten verhindert werden, die ihre Stimme noch abgeben müssen. Laut Forschung neigen die Unterstützer kleiner Parteien zur taktischen Wahl, wenn sie wissen, dass ihre Partei an einer Sperrklausel wie der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern droht.

Tatsächlich ist es üblich, dass die ersten Ergebnisse vorab bereits mit Medien und Parteien geteilt werden, um intern ein Stimmungsbild zu erhalten. Diese werden jedoch nicht veröffentlicht. Fälschungen können jederzeit erstellt und geteilt werden.

BSW verlangt juristische Prüfung

Das BSW beklagt zudem, dass nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgeben konnte und rechnet sich auf diesem Wege ebenfalls Chancen aus, noch in den Bundestag zu kommen. "Nach Auszählung aller 299 Wahlkreise steht das BSW bei 4,972 Prozent. Es fehlen also 0,028 Prozent zur 5-Prozent-Hürde", schrieb der Europaabgeordnete de Masi am frühen Morgen auf X. "Wenn ich noch klar rechnen kann, sind das etwa 13.000 Stimmen bei knapp unter 50 Mio Wählerinnen und Wählern, die ihre Stimme abgegeben haben. 13.000 Stimmen sind etwa 6 Prozent der in das Wahlverzeichnis eingetragenen 213.000 Auslandsdeutschen, die in erheblichem Maße an der Wahl gehindert wurden."

Unter anderem hatte auch der deutsche Botschafter in London moniert, dass bei ihm keine Unterlagen für die Briefwahl angekommen seien. Womöglich handelt es sich dabei um einen Verfassungsverstoß: "Das derzeitige System verstößt gegen Artikel 38 des Grundgesetzes", erklärte etwa die Stiftung Verbundenheit. "Das Wahlrecht den Auslandsdeutschen theoretisch zu gewähren, in der Praxis aber nicht sicherzustellen, ist verfassungswidrig. Das wird das Bundesverfassungsgericht auch feststellen."

Tritt Wagenknecht ab?

Am Vormittag stellt die Parteispitze des BSW klar, dass sie das Wahlergebnis juristisch überprüfen lassen und es gegebenenfalls vor Gericht anfechten wird. Es hätten nur etwa 13.400 Stimmen zum Einzug in den Bundestag gefehlt, sagte Wagenknecht. "Das ist nicht von der Hand zu weisen, dass das durchaus bei einer flächendeckenden Wahl der Auslandsdeutschen möglich gewesen wäre." Es stelle sich die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Ergebnisses.

Die Direktorin des Düsseldorfer Universitätsinstituts für Parteienrecht, Sophie Schönberger, sieht allerdings keinen Verfassungsanspruch auf Briefwahl. Sie erklärte in der "Zeit", dass sie eine Klage für aussichtslos hält.

"Gezielte Aktion"

Strafanzeige will Wagenknecht zudem wegen der veröffentlichten Prognose auf X stellen. Das habe Wählerinnen und Wähler womöglich beeinflusst, sagte sie. Wagenknecht wiederholte auch ihre Vorwürfe, dass das BSW im Wahlkampf von Medien ausgegrenzt und von einzelnen Umfrageinstituten bewusst mit zu niedrigen Werten geführt worden sei. Dass ein Institut das BSW weniger als 48 Stunden vor der Wahl auf drei Prozent "gesetzt" habe, das "war keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion, zur Manipulation von Wahlverhalten".

Das BSW ist mit 4,972 Prozent denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Vor der Abstimmung hatte Wagenknecht ihre politische Zukunft an den Einzug ihrer Partei in den Bundestag geknüpft: Ohne Bundestagsmandat habe man in Deutschland keine politische Stimme, sagte sie wenige Tage vor der Wahl. "Die Wahl ist auch eine Abstimmung über meine politische Zukunft."

Quelle: ntv.de, chr

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