Kaum Hoffnung für Berg-Karabach Armenien wählt Präsidenten
18.02.2008, 12:22 UhrZu seinem Abschied nach zehn Jahren im Amt hat Armeniens Präsident Robert Kotscharjan aus Sicht seiner Kritiker wenig Grund zum Feiern. Zwar sehen Menschenrechtler in dem Kaukasusstaat kleine Fortschritte in Richtung Demokratie. Doch hinterlässt der 53-jährige, der laut Verfassung abtreten muss, ein System von Vetternwirtschaft und Korruption. Auch der Konflikt um seine Heimat - die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende und von Armenien besetzte Enklave Berg-Karabach - ist weiter ungelöst. Laut Umfragen hat Kotscharjans Wunschnachfolger, der russlandfreundliche Regierungschef Sersch Sarkissjan, die besten Aussichten auf den Sieg bei der Präsidentenwahl an diesem Dienstag.
Neun Bewerber sind ins Rennen um das höchste Amt in dieser kleinsten der früheren Sowjetrepubliken gestartet. Sarkissjans wichtigster Widersacher ist Armeniens Ex-Präsident Lewon Ter-Petrosjan, der wegen seiner unnachgiebigen Haltung im Konflikt um Berg-Karabach 1998 zurücktreten musste. Der von Oligarchen unterstützte Politiker versammelte im Wahlkampf tausende Unzufriedene auf den Straßen. Doch die meisten Armenier haben die "kalten und dunklen Jahre" seiner Herrschaft, als es in den Wohnungen nur stundenweise Strom gab und an Wärme fehlte, nicht vergessen.
Noch immer zählt Armenien, das etwa so groß wie Belgien ist, nach Einschätzung der Weltbank zu den ärmsten Ländern. Allerdings sind in der Hauptstadt Eriwan dank des regen Baugeschehens die Zeichen des Aufschwungs unübersehbar. Kritiker behaupten, Kotscharjan und Sarkissjan hätten bei der Vergabe von Bauverträgen auch in die eigenen Taschen gewirtschaftet.
Seit Jahren leidet das christliche Land unter einer Blockade der islamisch geprägten Nachbarn Türkei und Aserbaidschan, die ihre Grenzen zu Armenien geschlossen haben. Armenien fordert von der Türkei noch immer eine Aufarbeitung des "Völkermordes" während des Ersten Weltkrieges. Bei Massakern, Vertreibungen und Todesmärschen kamen nach armenischen Angaben im damaligen Osmanischen Reich 1,5 Millionen Menschen ums Leben.
Abgesehen von Entwicklungshilfe in Millionenhöhe aus Deutschland und den USA kann sich Armenien bis heute vor allem auf Unterstützung aus Russland verlassen. Demonstrativ sicherte Ministerpräsident Viktor Subkow Eriwan Anfang Februar Zusammenarbeit zu. Subkow stellte nicht nur den Bau einer Ölraffinerie mit dem Iran auf armenischem Territorium in Aussicht. Nach einem in Eriwan unterzeichneten Abkommen wird die Russische Eisenbahn RZD für die nächsten 30 Jahre das armenische Schienennetz verwalten und erneuern. Moskau kündigte außerdem an, ein neues Atomkraftwerk in Armenien bauen zu wollen, weil der Reaktor in Mezamor nur noch bis 2016 am Netz ist.
Mit Sarkissjans möglicher Wahl verbinden viele Armenier die Hoffnung auf eine Modernisierung in ihrem Land. Als der Politiker der Republikanischen Partei 2007 die Parlamentswahl gewann, bescheinigten Beobachter der Abstimmung mehr Transparenz und Fairness als bei den vorher oft von Gewalt begleiteten Urnengängen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte allerdings jüngst, dass Sarkissjan im Wahlkampf die meiste Sendezeit erhalte - mit überwiegend positivem Tenor. Zudem sorgten Gängelung und gewaltsames Vorgehen der Behörden gegen regierungskritische Medien zunehmend für Angst unter den Journalisten, so die OSZE.
Die EU hofft, dass durch die Präsidentenwahlen in Armenien und im Oktober in Aserbaidschan der Streit um Berg-Karabach gelöst wird. Allerdings gab der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew zuletzt wenig Anlass für Optimismus, als er den seit 1994 bestehenden Waffenstillstand als brüchig bewertete. Die armenische Politologin Gajane Nowikowa sieht eine zunehmende Aggressivität in den Beziehungen beider Länder - und kaum Aussicht auf eine Lösung. Mit Rückendeckung Armeniens will die Regierung in Berg-Karabach einen eigenen Staat gründen.
Von Ulf Mauder, dpa
Quelle: ntv.de