Streit um den Verbrennungsmotor Das Kretschmann-Video ist halb so schlimm
25.06.2017, 12:47 Uhr
Prominente Realos: Katrin Göring-Eckardt, Winfried Kretschmann und Cem Özdemir (v.l.)
(Foto: picture alliance / Rainer Jensen)
Der Bruch, der durch die grünen Reihen geht, tritt offen zutage. Das spottgeladene Video von Ministerpräsident Kretschmann beschert der Partei unfreiwilligerweise große Aufmerksamkeit. Allzu dramatisch ist das aber im Wahljahr nicht.
Fast eine halbe Millionen Mal wurde das heimlich gefilmte Video von Winfried Kretschmann mittlerweile bei YouTube angeschaut. Der einzige grüne Ministerpräsident nennt darin das Ziel seiner Partei, 2030 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, schwachsinnig. Er wirft seinen Parteikollegen, die darauf pochen, Ahnungslosigkeit vor.
Wenig später spricht Kretschmann seine Kritik auch offen aus - in der "Bild"-Zeitung, und die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Der Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter kontert bei n-tv.de mit einem Gastkommentar. In den sozialen Medien bemühen sich Parteigänger, die Thesen Kretschmanns mit teils bissigen Bemerkungen zu entkräften.
Besiegelt dieser so zur Schau getragene innerparteiliche Bruch ein maues Ergebnis der Ökopartei bei den Bundestagswahlen? Nach mittlerweile doch schon recht lange vergangenen Höhenflügen liegen die Grünen in Umfragen schon jetzt bei wackligen 8 Prozent.
Tatsächlich dürfte der Erfolg der Grünen kaum an diesem drei Minuten langen Schnipsel hängen. Das Video ist unangenehm, keine Frage. Die Realos, deren stärkste Stimme Kretschmann ist, dominieren seit Jahren die Partei. Der belehrende Monolog Kretschmanns (dessen inhaltliche Güte nicht unumstritten ist) muss unerträglich für viele Anhänger des linken Flügels sein. "Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen", sagt Kretschmann. "Ich als Ministerpräsident mach das nicht." Hinzufügen muss man, dass Kretschmann Ministerpräsident Baden-Württembergs ist, dem Zentrum der deutschen Automobilindustrie.
Natürlich drängt sich an dieser Stelle auch die Frage auf: Was ist eigentlich mit anderen namhaften Realos? Halten auch die Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, die beide diesem Flügel angehören, 2030 für einen "Schwachsinns-Termin", können das aber wegen ihrer Rolle nicht so deutlich sagen?
Die Grünen brauchen Aufmerksamkeit
Wirklich überraschend ist all das aber nicht. Von der reinen grünen Lehre ist die Partei schon vor vielen Jahren abgekommen. Die Zeiten, in denen die Grünen vor allem Idealisten waren, sind längst vorbei. Dass einige froh darüber sind und andere dieser Zeit noch nachtrauern, ist spätestens seit dem Ja zum Bundeswehreinsatz im Kosovo klar und zeigte sich zuletzt besonders deutlich in der Flüchtlingskrise. Ein Zurück ist angesichts des Kräfteverhältnisses in der Partei utopisch. All das ist dem Grünen-Wähler wirklich nichts Neues. Die Kernwählerschaft wird der Video-Skandal deshalb kaum verprellen.
Dass sich der innerparteiliche Bruch nun so deutlich offenbart, hat deshalb vielleicht sogar etwas Gutes: Der Eklat ist eine Gelegenheit, sich bei großem öffentlichen Interesse mit einem zentralen Wahlkampfthema zu beschäftigen. Und Aufmerksamkeit ist genau das, was der Partei fehlt, seit sie sich inhaltlich nicht mehr so drastisch von Union und SPD unterscheidet.
Im besten Fall zieht Kretschmann mit seinem Ausfall bei dieser Gelegenheit vielleicht gar den ein oder anderen etwas konservativeren Wähler an.
Quelle: ntv.de