Parteitag ohne Aufbruchsignal Der SPD bleibt nur das Hoffen auf ein Wunder


Scholz ist als Kanzlerkandidat bestätigt - und hat sechs herausfordernde Wochen vor sich.
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Die SPD hat ein Programm, von dem sie überzeugt ist. Sie hat einen Kanzlerkandidaten, der nach außen nicht mehr infrage steht. Nun muss es halt irgendwie nach vorne gehen in den Umfragen. Wie genau, bleibt auf dem Bundesparteitag unklar.
"Wunder gibt es immer wieder", trällerte Katja Ebstein in den Jahren der Kanzlerschaft von Willy Brandt. Ein gutes halbes Jahrhundert später bleibt den Sozialdemokraten kaum mehr als das: Hoffen auf ein Wunder in den verbleibenden 43 Tagen bis zur Bundestagswahl am 23. Februar, damit Olaf Scholz Regierungschef bleibt. Der Bundesparteitag in Berlin jedenfalls bot keinen Hinweis darauf, wie der SPD mit einem neuen Ansatz noch eine grundlegende Trendwende in den Umfragen gelingen könnte. Es muss auch so gelingen, mit dem bekannten Programm, mit dem bekannten Kanzlerkandidaten.
Hoffnung in eher aussichtsloser Lage macht der Partei erstens, dass viele Menschen - anders als den Kandidaten Scholz - das SPD-Wahlprogramm noch nicht kennen. Und zweitens, dass ebenso viele Wählerinnen und Wähler sich noch kein klares Bild vom in allen Umfragen haushoch führenden Unionskandidaten Friedrich Merz gemacht haben. Entsprechend viel Mühe verwendet die SPD darauf, Merz als unerfahrenen und charakterlich ungeeigneten Kanzlerkandidaten darzustellen, dem es vor allem auf die Interessen der oberen Zehntausend ankomme. Drittens ist auch die Hoffnung nicht tot in der SPD, dass sich die Union unter dem Eindruck sinkender Zustimmungswerte doch noch selbst ein Bein stellt.
Viertens ist da ja noch Donald Trump: Wer weiß schon, was dieser unberechenbare Politunternehmer in den Wochen vor der Bundestagswahl alles anstellen wird? Vielleicht versammeln sich die Menschen in Deutschland in einer immer unsicheren Weltlage ja doch noch hinter dem ihnen bekannteren und berechenbareren Amtsinhaber Scholz. Zugleich wünscht sich natürlich auch in der SPD niemand, dass Trump zusammen mit seinem Buddy Elon Musk noch mehr Benzin auf den lodernden Weltenbrand schüttet.
War der Spitzenkandidat der falsche?
Programmatisch ist auch die SPD nicht frei von Kalkül in diesem Wahlkampf unterwegs: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer weiter reduzierten Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ist fragwürdig, weil die teure Maßnahme allen Verbrauchern nutzen würde. Die Überbetonung der Rentengarantie zielt erkennbar auf die an der Wahlurne überproportional vertretenen über 60-Jährigen. Dafür müssten bei unveränderter Lage die 100 Milliarden Euro Zuschüsse aus dem Bundeshalt ebenso weiter ansteigen wie die Rentenbeitragssätze von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ferner ist manche Einlassung von Scholz zur Ukraine-Politik offenkundig von wahltaktischen Überlegungen beeinflusst.
Dennoch: In immer mehr freiheitlichen Demokratien kommen Rechtsradikale, Nationalisten und Populisten an die Regierung oder übernehmen sie gleich ganz. Es ist vor diesem Hintergrund mehr als nur honorig, dass und wie die SPD in kritischer Lage programmatisch an ihren Überzeugungen festhält. Auch auf das Risiko hin, dass sie damit beim Wähler nicht verfängt. Politische Verantwortung heißt, zu tun, was man für richtig hält. Bleibt die SPD unter 20 Prozent, wird sie daher auch nicht die Frage diskutieren, ob das Programm falsch war.
Die Frage wird - spätestens nach dem 23. Februar - lauten, ob ihr Spitzenkandidat der falsche war. Und welche Verantwortung all jene tragen, die alle Warnungen in den Wind schlugen und Scholz gegen die internen Zweifel als SPD-Kanzlerkandidaten durchgesetzt haben. Tritt das erhoffte Wunder bei den Zustimmungswerten bis zum Wahltag nicht ein, steuert die SPD auf harte personelle Diskussionen zu. Bis dahin gilt der Refrain von Katja Ebstein.
Quelle: ntv.de