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Merkel verpasst Chance auf mehr Fairness Frauenquote tut nicht weh

Frauenministerin Kristina Schröder am Rednerpult des Bundestags. Sie wehrte sich dort zum wiederholten Male gegen eine Frauenquote.

Frauenministerin Kristina Schröder am Rednerpult des Bundestags. Sie wehrte sich dort zum wiederholten Male gegen eine Frauenquote.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fast wäre es so weit gekommen: Fast hätte die Opposition gegen den Willen der Regierung ein Gesetz durchgebracht, das mehr Gerechtigkeit in Deutschland geschaffen hätte. Doch die Kanzlerin tat alles, um das zu verhindern. Eine peinliche Vorstellung.

Seit mehr als sieben Jahren ist Angela Merkel jetzt Bundeskanzlerin, doch so nervös wie in dieser Woche war sie wohl selten. Dabei geht es nicht um einen Schuldenschnitt für Griechenland, und Merkel musste sich auch nicht in einer Nachtsitzung gegen Kollegen aus anderen Ländern durchsetzen. Das Thema, das Merkel so nervös machte, heißt "Chancengleichheit für Männer und Frauen".

Denn um nichts weniger geht es, wenn die Frauenquote debattiert wird: Mädchen haben in Deutschland die besseren Schulnoten, als Studentinnen schreiben sie die besseren Klausuren, ihre Bachelor- und Masterarbeiten sind signifikant besser bewertet als die ihrer männlichen Kommilitonen. Doch am Ende nehmen sie in den Unternehmen am Katzentisch Platz. Sie machen die Karrieren, die Männer ihnen übrig lassen, verdienen bei gleicher Ausbildung und gleicher Qualifikation weniger. Am Ende schaffen es viele von ihnen trotz des Vorsprungs nicht, aus der überholten Rollenverteilung heraus zu kommen: Sie kümmert sich um Haus und Nachwuchs, er sorgt für ein ausgeglichenes Konto – anders herum würde schließlich Geld verschwendet.

Besser wäre, wenn sich etwas "in den Köpfen" ändert

Die Frauen in Deutschland haben diese Situation zu Recht satt. Es kann doch nicht sein, dass sie trotz aller Anstrengungen hinter den Männern zurückbleiben! Die Politik muss etwas tun, doch was?

Die Ursache für die Ungleichbehandlung von Frauen ist, dass die Schaltstellen in der Wirtschaft durch Männer besetzt sind. Männer bevorzugen bei Einstellungen Männer. Legt man ihnen anonymisierte Bewerbungen vor, laden sie mindestens genauso viele Frauen ein. Bei Bewerbungen mit Name und Foto, wie sie in Deutschland üblich sind, erhalten Männer klar den Vorzug. Im Unternehmen geht es weiter: Männer knüpfen untereinander Netzwerke, auch über Hierarchieebenen hinweg. Frauen sind häufig außen vor.

Das Beste wäre natürlich, wenn sich etwas "in den Köpfen" ändert. Wenn sich Männer ihres verstellten Blicks bewusst werden und sich das Problem dadurch nach und nach löst. Doch ganz offensichtlich klappt das nicht. Auch über 40 Jahre nachdem sich die moderne Frauenbewegung formiert hat, stößt schon der Begriff Feminismus – der nichts anderes meint als den Kampf für Gleichberechtigung – auf Abwehrreaktionen. Beschwert sich eine Frau über Sexismus durch einen Mann in einer höheren Position, ist am Ende sie selbst die Schuldige, weil sie zu knappe Kleidung trug oder sich "anstellt".

Der "Kompromiss" ist ein Witz

Mangels Alternative fordern SPD, Grüne, Linke und auch viele Frauen aus CDU und CSU eine Quote. Keine Selbstverpflichtung, deren Höhe Unternehmen selbst festlegen können (was für ein absurdes Gesetz!), sondern eine Mindestanzahl an Frauen in Führungspositionen. In diesem Fall ging es sogar nur um Aufsichtsräte, nicht um Managements.

Diese Quote macht die Kanzlerin so nervös, dass sie ihren Generalsekretär jede Abweichlerin einzeln wieder zurückholen ließ. Wie bei der Homo-Ehe bringt Merkel ihre Leute auf eine (im schlechtesten Wortsinne) konservative Linie. Der sogenannte "Kompromiss", mit dem das nun gelang, ist ein Witz: Erst in sieben Jahren soll es eine Quote geben, sie soll nur bei 30 Prozent liegen und selbst das wurde nicht als Gesetz beschlossen, sondern wird nur in das CDU-Wahlprogramm aufgenommen. Sollte man die Regierung mit der FDP fortsetzen können, wird die Quote das erste sein, was in den Koalitionsverhandlungen unter den Tisch fällt.

"Eine Diskriminierung von Männern!", rufen die Kritiker dennoch. Ein absurdes Argument angesichts der offensichtlichen Diskriminierungen, denen Frauen im Berufsleben ausgesetzt sind. Es geht nicht darum, Männern eine Schranke vor die Karriereleiter zu bauen. Es geht darum, die Schranken im Weg der Frauen zu durchbrechen. Notfalls eben auch mit einer Quote. Diese Aussicht ist nichts, was einen nervös machen sollte.

Quelle: ntv.de

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