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Klientelismus und Chaos Griechenland in der autokratischen Falle

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Soldaten hissen auf der Akropolis die griechische Flagge.

(Foto: AP)

Die Ursachen für die Probleme Griechenlands liegen tiefer als auf der Ebene steuerlicher oder struktureller Schwächen. Werden sie nicht behoben, ist der nächste Zusammenbruch nur eine Frage der Zeit.

Die sogenannten Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und dem Rest der Eurogruppe sind in einer toten Zone angelangt. Jetzt gibt es entweder einen Kompromiss, der die Ungewissheit verlängert, damit dann weitere Gespräche stattfinden können, die das griechische Problem vielleicht wirklich lösen. Oder es kommt zum Bruch zwischen Griechenland und dem Rest der Eurozone und den Institutionen.

Die griechische Regierung hat klargestellt, dass sie nicht bereit ist, die Therapie fortzusetzen, die ihr aufgezwungen wurde, da erwiesen ist, dass sie das Problem nicht löst, sondern die Dinge schlimmer gemacht hat. Die andere Seite dagegen besteht darauf, dass erst zu Ende geführt wird, was nicht funktioniert hat, bevor andere Optionen geprüft werden.

An diesem Punkt könnte es nützlich sein, auf die Probleme zu schauen, mit denen Griechenland es zu tun hat. Diese Probleme liegen nicht in erster Linie auf der steuerlichen oder der strukturellen Ebene. Natürlich sind die steuerlichen Probleme eng mit den strukturellen Schwächen verbunden. Aber selbst die zugegebenermaßen gravierenden strukturellen Mängel sind nicht die ursprüngliche Quelle des Problems. Die liegt noch tiefer, im institutionellen Gerüst des griechischen Staates.

In den 40 Jahren, die auf das Ende der von den USA gestützten Militärdiktatur folgten, beruhte die griechische Politik auf der autokratischen Herrschaft allmächtiger Ministerpräsidenten und ihrem klientelistischen Parteiensystem, das alle Aspekte des Lebens dominierte. Nicht nur mussten sich die Regierungen nicht an die Gesetze halten, sie konnten sogar die Regeln beliebig verändern, weil sie die Legislative vollständig im Griff hatten. Ein System wirklicher Kontrolle der Exekutive gab es nicht, folglich konnten die Gesetze missachtet werden. Die verfassungsmäßige Immunität von Ministern sorgte dafür, dass Korruption für völlig normal gehalten wurde. Grundsätzlich ist das nichts Ungewöhnliches - alle Länder kennen ein gewisses Maß an Korruption, Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft. In Griechenland wurde dies allerdings in den vergangenen 40 Jahren auf die Spitze getrieben.

System ohne Widerstandskraft

Alle möglichen Privilegien wurden verschiedenen Gruppen gewährt oder verweigert, durch Gesetze, die eine hochgradig dysfunktionale Wirtschaft und eine ineffiziente, chaotische Verwaltung schufen. Die so produzierten staatlichen Dienstleistungen waren ungenügend: Das Justizsystem hat einen Rückstand von hunderttausenden Fällen, die niemals in einem vernünftigen Zeitraum abgearbeitet werden können. Da das öffentliche System unterfinanziert und schlecht verwaltet wurde, blühten private Märkte für Gesundheit und Bildung. Die Infrastruktur war so ungleich verteilt (um die Profite für Unternehmer und die Bestechungsgelder für Entscheider zu maximieren), dass fast 70 Prozent der Griechen in die großen Städte ziehen mussten, um sich ein Minimum eines annehmbaren Lebensstandards zu sichern.

Angesichts eines so schlechten staatlichen Angebots ist es kein Wunder, dass Misswirtschaft, Steuerhinterziehung und eine große Schattenwirtschaft die griechische Wirtschaft ausgebremst haben. Es war zu erwarten, dass ein solches System keine Widerstandsfähigkeit haben würde, wenn eine größere Krise (wie in der Zeit nach der Lehman-Pleite) in Griechenland zuschlägt. Traurigerweise war die einzige Lösung, die angeboten wurde, nachdem Griechenland 2010 praktisch pleite ging, ein Austeritätsprogramm. Dieses Programm zerstörte die nationale Wirtschaft zu 25 Prozent, ließ 40 Prozent der Bürger verarmen und türmte noch mehr Schulden auf den ohnehin schon hohen griechischen Schuldenberg.

Angenommen, ein Kompromiss zwischen Athen, den Institutionen und den Partnerländern in der EU und in der Eurozone wird erreicht und ein vollständiger Zusammenbruch abgewendet; angenommen, eine Lösung für die staatlichen Schulden wird gefunden (mittlerweile räumen sogar der IWF und die EZB ein, dass die nicht tragfähig sind) und es gibt sogar eine Einigung, die die griechische Wirtschaft wieder wachsen lässt: Ohne radikale institutionelle Reformen, die sicherstellen, dass Regierende regieren, der Gesetzgeber Gesetze erlässt und Richter Urteile fällen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die nächste Krise den nächsten Zusammenbruch auslöst.

Theo Kouvakas ist griechischer Journalist und lebt in Berlin.

Übersetzung: Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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