Verfassungsschützer mit Agenda Maaßen ist an sich selbst gescheitert
17.09.2018, 15:59 Uhr
Hans-Georg Maaßen glaubte offenbar, er könne nicht fallen.
(Foto: imago/Christian Ditsch)
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen steht offenbar kurz vor seiner Entlassung - doch nicht seine umstrittenen Äußerungen über die rechten Demos in Chemnitz kosten ihn letzten Endes das Amt, sondern seine eigene Borniertheit.
Hans-Georg Maaßen muss gehen. Daran gibt es mittlerweile kaum noch einen Zweifel. Zwar wollen die Koalitionsspitzen erst Dienstag zum entscheidenden Krisentreffen im Kanzleramt zusammenkommen, doch zumindest Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles sind sich offenbar schon einig: Der Verfassungsschutzpräsident soll weg. Die Frage ist nur, wie. Entlassung, Rücktritt oder Versetzung? Als Maaßens Dienstherr wird letztlich Innenminister Horst Seehofer darüber entscheiden müssen. Einzige Bedingung dürfte sein, dass er es schnell tut. Schließlich könnte jede Verzögerung als neuerliche Niederlage der Sozialdemokraten gewertet werden. Im Sinne einer stabilen Koalition wäre das nicht. Die Personalie Maaßen ist also längst zur politischen Machtfrage geworden - ganz abgesehen von den gewichtigen inhaltlichen Gründen für seinen Abgang.
Doch wenn der Behördenchef geht, dann geht er nicht wegen seines Interviews in der "Bild"-Zeitung. Er geht wegen seiner eigenen Borniertheit. Natürlich kann man Maaßen vorwerfen, dass er den Rechtsextremen mit seinen öffentlichen Zweifeln an den Berichten über Hetzjagden in Chemnitz Argumente geliefert hat. Richtig ist auch, dass seine nebulösen Andeutungen über "gezielte Falschinformationen" in Bezug auf ein Gewaltvideo kruden Verschwörungstheorien gegen Presse und Politik Vorschub leisten. Selbst die Kritik an seinem öffentlichen Konfrontationskurs gegen die Kanzlerin ist sicherlich berechtigt. Doch muss deshalb gleich sein Kopf rollen? Sicher nicht.
Vielmehr ist es wie immer, wenn sich prominente politische Akteure - seien es nun Minister oder hohe Ministerialbeamte - im Umgang mit dem eigenen Fehltritt vergaloppieren. Sie merken erst zu spät, dass sie die Zügel längst nicht mehr in der Hand halten. Auch Ex-Bundespräsident Christian Wulff stürzte im Februar 2012 nicht über heikle Hotel- oder Urlaubsrechnungen. Er stürzte, weil er sich noch zu einem Zeitpunkt an sein Amt klammerte, als sein unglückliches Taktieren in der Affäre längst schwerer wog als die Vorwürfe der Vorteilsnahme. Nun ist es Hans-Georg Maaßen, der offenbar nicht verstehen will, dass das strikte Beharren auf seinen Positionen viel Vertrauen zerstört hat. Und Vertrauen ist nun einmal das Fundament jedes politischen Amtes. Da bildet der Verfassungsschutzchef keine Ausnahme.
Maaßen gibt sich unbelehrbar
Mehr noch: In seiner Position müsste Maaßen eigentlich erhaben sein über Parteipolitik. Nur so kann er glaubwürdig vermitteln, dass seine Behörde sowohl am linken als auch am rechten Rand genau hinschaut. Doch auch daran gibt es inzwischen Zweifel. So soll Maaßen der AfD Ratschläge erteilt haben, um der Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst zu entgehen. Er selbst bestreitet das. Auch Vorwürfe aus Bremen und Niedersachsen, das Bundesamt habe Hinweise über AfD-Jugendorganisationen monatelang liegen lassen, lässt er zurückweisen. In einem Gespräch mit dem AfD-Politiker Stephan Brandner über vertrauliche Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 sieht Maaßen ebenfalls kein Problem - und das, obwohl dieses Privileg früheren Vorsitzenden des Rechtsausschusses nicht zuteil wurde.
Jegliche Kritik daran lässt der Behördenchef an sich abprallen. Sein umstrittenes Interview würde er "so wieder geben", sagte er vergangene Woche im Innenausschuss des Bundestags. Genau darin liegt das Problem. Maaßen, so soll es zumindest aussehen, macht keine Fehler. Wer ihn missversteht, ist selber schuld. So viel Arroganz macht blind für potenzielle Fallgruben. Der Behördenchef glaubt aber offenbar, er könne nicht fallen. Und als sein personifiziertes Sicherheitsnetz wähnt er den Innenminister. Doch das könnte sich nun als schwerer Irrglaube erweisen. Schon nach dem ersten Krisentreffen der Koalitionsspitzen vergangene Woche hieß es laut "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung", die Aussprache wäre wohl schnell zu Ende gewesen, hätte Seehofer darauf beharrt, dass Maaßen seinen Job behalten darf. Womöglich erwägt er tatsächlich seine Versetzung.
Der Rücktritt ist unausweichlich
Zu glauben, dass Seehofer den Fortbestand der großen Koalition - oder gar sein eigenes politisches Schicksal - an den Verfassungsschutzpräsidenten knüpfen würde, ist auch allzu naiv. Maaßen hat also nur zwei Optionen: sich vom Hof jagen zu lassen oder freiwillig zu gehen. Verstehen wird er das mit Sicherheit nicht. Und auch darin erinnert sein Fall an die Causa Wulff. Damals - im Februar 2012 - sagte der amtierende SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, Wulff sei "eigentlich schon kein Bundespräsident mehr, er residiert nur noch im Schloss Bellevue". Genauso verhält es sich jetzt mit Maaßen. Sein Abgang ist längst beschlossene Sache.
Dafür hat er selbst am meisten getan. Und er tut es immer noch. Statt sich mitten im Koalitionsstreit um seine Person ruhig zu verhalten, forderte Maaßen laut "Spiegel" zuletzt den massiven Ausbau seiner Behörde. Einsicht sieht anders aus. Der langjährige Amtsleiter glaubt offenbar, dieses Entgegenkommen verdient zu haben. Doch niemand braucht einen Verfassungsschutzchef, der das Vertrauen der Regierung verloren hat und nicht in der Lage dazu ist, eigene Fehler einzugestehen. Wenn Maaßen das bisher nicht erkannt hat, sollte er es spätestens jetzt wissen. Und endlich danach handeln.
Quelle: ntv.de