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CSU-Chef Seehofer wettert er über das unfähige und abgehobene "Berlin". Ein Blick in die USA zeigt, wie gefährlich eine solche Strategie ist.
Der vierte Satz in diesem Interview lässt aufhorchen. "Wir sind den Berlinern einfach zu stark", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der "Mittelbayerischen Zeitung". Es ging, wie immer, um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Sauer war Seehofer, weil Thomas de Maizière angekündigt hatte, dass die Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze im Mai wegfallen, wenn die Flüchtlingszahlen so niedrig bleiben – eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Im Schengen-Raum sind Grenzkontrollen eine Ausnahme.
Doch selbstverständlich ist für Seehofer etwas anderes: Die in Berlin sind abgehoben, die in Berlin haben keine Ahnung, Berlin interessiert sich nicht für die wahren Probleme der Menschen, Berlin ist an allem Schuld. Eine ebenso einfache wie riskante Strategie.
Sollte Seehofer in Erfahrung bringen wollen, was passiert, wenn Politiker ständig mit dem Finger auf die eigenen Parteifreunde zeigen, dann könnte er sich die Republikaner in den USA anschauen. Dort ist "Washington" zum Inbegriff von Unfähigkeit, Abgehobenheit und Korruption geworden – nicht nur im Kampf der Republikaner gegen die Demokraten, auch innerhalb der Republikaner. Die Folge: Die "Grand Old Party" ist kaputt, ihre beiden aussichtsreichsten Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur sind ein exzentrischer Milliardär und ein fundamentalistischer Christ.
Natürlich: In Washington gäbe es einiges zu reparieren, auch in Berlin gibt es durchaus Verbesserungspotenzial. Aber das ist so anstrengend! Zumal in einer Demokratie, in der man ständig Kompromisse finden muss. Oder sich mit Regeln herumschlagen, die, zum Beispiel, die Einführung einer Ausländermaut behindern.
Bei seinem "Bayern ist den Berlinern einfach zu stark"-Gepolter hat Seehofer die nächsten Landtagswahlen im Freistaat im Blick, mehr nicht. Genauso machen es die US-Republikaner: Immer schön an die Wahlen denken, nie an die Partei, schon gar nicht ans Land. Jetzt haben sie den Schlamassel. Bei all ihrem Geschimpfe auf "Washington" haben die Republikaner vergessen, dass sie selbst dazugehören. Die republikanischen Wähler haben das nicht vergessen. In den Vorwahlen haben sie mehrheitlich für zwei Männer gestimmt, die eben nicht zum politischen "Establishment" gehören. Die Folge: Im November werden die Republikaner die dritte Präsidentschaftswahl in Folge verlieren.
Irgendjemand sollte Seehofer daran erinnern, dass auch er zum Establishment gehört, dass die CSU im Bund mitregiert, dass er höchstpersönlich ein Teil von "Berlin" ist. Seehofer bestreitet, dass er plant, die CSU in Konkurrenz zur CDU bundesweit auszudehnen. "Niemand von uns strebt eine faktische Spaltung an." Aber nur, wenn es diesen Plan gibt, ist seine Strategie sinnvoll.
Quelle: ntv.de