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Quotenregelung für Flüchtlinge Solidarität lässt sich nicht verordnen

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(Foto: REUTERS)

Einige EU-Staaten leisten viel, andere sehr wenig - die Verteilung von Flüchtlingen in der EU ist ungerecht. Das will die EU-Kommission ändern. Ein ambitioniertes Vorhaben, denn auf die Solidarität der Mitgliedstaaten kann sie nicht setzen.

Dimitris Avramopoulos gibt sich optimistisch: "Wir werden ein Mindestmaß an Solidarität sicherstellen", sagt der EU-Kommissar für Inneres und Migration. Doch für diesen Optimismus hat er keinen Grund. Die Debatte über eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa offenbart, wie wenig Solidarität auf dem Kontinent nicht nur mit Flüchtlingen, sondern vor allem unter den Staaten Europas herrscht.

Avramopoulos und der Rest der EU-Kommission wollen eine Quotenregelung einführen - zunächst für 40.000 Menschen, die in Italien und Griechenland Zuflucht suchen. Sie sollen auf andere, nicht so heftig belastete Mitgliedsstaaten verteilt werden - nach objektiven Kriterien wie der Wirtschaftsleistung und Arbeitslosenquote eines Landes. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Für diese Regelung gibt es keine Mehrheit. Die Gegner haben viele Gründe für ihre Ablehnung. Und beschämenderweise habe sie alle eines gemein: den Eigennutz.

Zu den lautesten Widersachern zählen die osteuropäischen Staaten. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nannte die Quotenlösung "Wahnsinn". Wie viele andere Regierungschefs fürchtet er, dass die geplante Notfallmaßnahme zum Grundprinzip der europäischen Flüchtlingspolitik werden könnte.

Bisher profitierten viele Staaten in Mittel- und Osteuropa davon, dass Flüchtlinge, die in Europa ankommen, durch das Dublin-Abkommen nur dort Asyl beantragen dürfen, wo sie erstmals europäischen Boden berührt haben. Die Menschen, die über das Mittelmeer kamen, erreichen Bukarest, Warschau oder Prag nur sehr selten. Männer wie Orban wollen, dass es so bleibt. Deswegen sind sie gegen jede denkbare Quoten-Regelung - Solidarität hin oder her. Das ist besonders peinlich, weil sich viele Ungarn, Polen oder Tschechen in den vergangenen Jahren selbst auf die Solidarität anderer Staaten verlassen haben, als sie auswanderten und ihr berufliches Glück im Ausland suchten.

Deutschland, ein Beispiel für Schein-Solidarität

Ähnlich unsolidarisch tritt Großbritannien auf. Es gibt viele Beispiele dafür, dass sich das Königreich die Vorteile der EU gern zunutze macht, ohne die Kehrseiten dafür in Kauf nehmen zu wollen. Das zeigt sich auch beim Thema Quoten-Regelung. London hat sich vertraglich so abgesichert, dass es selbst dann nicht mitmachen muss, wenn eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für den Vorschlag der Kommission stimmt. Und London kündigte bereits an, dass es von seinem Opt-Out-Recht Gebrauch machen wird - obwohl es viel mehr Flüchtlinge aufnehmen müsste, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.

Selbst einige der Staaten, die den Vorschlag der Kommission mittragen, sind letztlich nicht wirklich solidarisch, geschweige denn selbstlos. Das beste Beispiel dafür ist Deutschland. Die Bundesrepublik zählte lange zu den vehementesten Verfechtern des Dublin-Abkommens. Den verschiedenen Bundesregierungen war es recht, so Flüchtlinge gar nicht erst ins Land kommen lassen zu müssen.

Doch seit Länder wie Italien und Griechenland mit der großen Zahl der Flüchtlinge vollkommen überfordert sind, funktioniert dieses Prinzip nicht mehr. Rom und Athen lassen viele Schutzsuchende immer wieder durchreisen, ohne sie zu registrieren. Die Flüchtlinge können deshalb in Deutschland behaupten, dass sie direkt dorthin gelangt sind. Es gibt so keine Möglichkeit mehr, sie mit Verweis Auf Dublin-II irgendwohin zurückzuschieben. Auch deshalb steigen die Flüchtlingszahlen in Deutschland wieder so rasant. Eine Quotenregelung würde die Last für Berlin wieder verringern. Statt mehr als 30 Prozent müsste sich Deutschland damit nur noch um knapp 22 Prozent der Anträge kümmern. Selbst wenn es Dimitris Avramopoulos und dem Rest der EU-Kommission also gelingen sollte, die Quotenregelung voranzutreiben gilt wohl: Echte Solidarität - selbst ein Mindestmaß davon - kann sie nicht verordnen.

Quelle: ntv.de

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