Zwischenruf Südsudan: Konflikte, Öl und Korruption
09.07.2011, 12:34 UhrDer Freudentaumel in Juba wird nicht lange währen. Denn dem Südendes Sudans steht nach seiner Unabhängigkeit nichts Gutes bevor. Dafür gibt es in der Region zu viel Konflikpotenzial: verfeindete Volksgruppen und begehrte Ölquellen.

Der Südsudan feiert seine Unabhängigkeit.
(Foto: dpa)

Dem neuen Staat stehen gewaltige Probleme ins Haus.
(Foto: dpa)
Mit der Ausrufung der Unabhängigkeit des Südsudan wird ein weiteres Mal gegen den Gründungskonsens der Organisation der Afrikanischen Staaten, der heutigen Afrikanischen Union verstoßen. Bei deren Bildung 1963 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba hatten sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die von den Kolonialmächten im Gefolge der Berliner Konferenz von 1884/85, der zuvor und zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit gezogenen Grenzen unverändert zu lassen. Dies bedeutete zumeist eine willkürliche Trennung von Völkern, die einst höchstens in Begriffen wie Jagd- oder Einflussgebiet gedacht und gelebt hatten. Bis heute empfinden beispielsweise die beiderseits des Kongo-Flusses im früher belgischen Kongo respektive im portugiesischen Angola lebenden Bakongo den Fluss als natürliches und nicht als juristisches Hindernis. Der Sündenfall war die Lostrennung Eritreas von Äthiopien 1993: Die zunächst marxistisch geprägte Eritreische Volksbefreiungsfront wurde vom Westen gegen das vom Osten unterstützte – vom Selbstanspruch gleichfalls – marxistische Zentralregime des Haile Mariam in Addis Abeba hofiert. Heute ist Eritrea ein brutal regierter Staat; in Äthiopien sieht es kaum besser aus. Zwischen beiden Seiten herrscht ein – hierzulande kaum bemerkter Krieg. Das Regime in Äthiopien profitiert dabei von US-amerikanischer Hilfe, weil es hin und wieder im "failed state" Somalia einmarschiert, um vorgeblich demokratische Kräfte vom Würgegriff der Islamisten zu befreien.
Ähnliches steht dem neuen Staat im Süden des Sudan bevor: Konflikte zwischen den Volksgruppen, Zwist mit dem muslimischen Norden um Kontrolle und Transport des Erdöls, weil die geplante Pipeline des jungen Staates nach Kenia bislang ein Traum ist. Ob die Anwesenheit des (nord-) sudanesischen Staatschefs Omar al-Baschir in Juba, der Hauptstadt des neuen Staates, mehr als eine Geste ist, wird die Zukunft zeigen. Über den nördlichen Hafen von Port Sudan läuft bis zur Stunde der gesamte Erdölexport des bisherigen Sudan, wobei gut zwei Drittel der Förderstätten im Süden liegen.
Deutschland hat schon mehr als 600 Millionen Euro an Entwicklungshilfe an den Süden überwiesen. Es ist müßig, auf die in Juba und Umgebung grassierende Korruption zu verweisen. Als Vorsitz des UN-Sicherheitsrates ist Deutschland der erste außerafrikanische Staat, der die Republik Südsudan anerkannt hat; Chefdiplomat Guido Westerwelle höchstpersönlich war vor Ort. Das ist gut für die Autofahrer. Aber was unternimmt der selbsternannte Schirmherr der südsudanesischen Independenz, wenn am Ende nichts anderes herauskommt als Eritrea? Der Freudentanz der hunderttausende heute in Juba ist morgen vorbei.
Quelle: ntv.de