Pressestimmen

Blogger als Landesverräter "Blicken in einen Abgrund von Unfähigkeit"

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Den Journalisten des politischen Blogs "Netzpolitik.org" wird Landesverrat vorgeworfen. Ihnen droht damit eine hohe Haftstrafe. Die deutsche Presse fühlt sich in ihrer Freiheit angegriffen. Einige stimmen jedoch auch Politik und Justiz zu. Sie geben Generalbundesanwalt Range Recht: Staatsgeheimnisse müssen geheim bleiben.

Die Autoren des Blog sehen sich mit dem Vorwurf des Landesverrats konfrontiert.

Die Autoren des Blog sehen sich mit dem Vorwurf des Landesverrats konfrontiert.

(Foto: dpa)

Der Tagesspiegel konstatiert: "Die Verfassungsschützer wollen gerade offenkundig zuallererst sich schützen. Wollen missliebige Berichterstattung für die Zukunft verhindern." Deswegen solle eine Zensur stattfinden? "Allein schon mit diesem Vorsatz tun sie der Aufgabe des kritischen Journalisten unrecht." Außerdem sei es eine Anmaßung. Presse- und Meinungsfreiheit seien konstitutives Element der Demokratie, hierzulande seit dem Hambacher Fest von 1832, so das Blatt. "Der Generalbundesanwalt wartet jetzt doch lieber ein Gutachten ab. Zur eigenen Blamage. Der Verfassungsschutz hätte sich die Strafanzeige versagen sollen. Sie bestätigt das Urteil über ihn."

"Monatelang wartet man darauf, dass sich der Generalbundesanwalt aufmacht, die Dimension des US-Lauschangriffs auf die Bundesregierung aufzuklären", meinen die Westfälischen Nachrichten. Doch Wikileaks-Dokumente und über 3000 Strafzeigen reichen ihm nicht. "Im Fall Netzpolitik.org genügt FDP-Mann Range die Wiedergabe von drögen Planungsunterlagen für eine neue Referatsgruppe des Verfassungsschutzes zur Internet-Überwachung, um die ganz dicke Keule zu schwingen: Landesverrat ... Ein Vorwurf, der unterstellt, die Journalisten würden fremde Mächte fördern." Dass die Bundesanwaltschaft nach breiter Empörung vorsichtig einlenke, sei der Zeitung zufolge bezeichnend.

Die Rhein-Zeitung fragt: "Was ritt den Generalbundesanwalt, sich derart zu blamieren? Es ging darum, weiteren potenziellen Geheimnisverrätern einen Schuss vor den Bug zu setzen, damit im Zeitalter von Edward Snowden und Julian Assange sowie der unzügelbaren Verbreitung des Internets nicht noch mehr vermeintlich vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen." Dabei hätte Range einen weitaus wichtigeren Gegner zu zügeln: die Hintermänner der alltäglichen Spähangriffe des US-Geheimdienstes NSA auf hiesige Bürger, schreibt das Blatt. Das aber dürfte bis zum Ende der Amtszeit von Herrn Range nicht mehr zu schaffen sein. "Da ist es doch leichter, ein paar vermeintlich kleinen Bloggern zuzusetzen. Wir blicken in einen Abgrund von Unfähigkeit."

Laut den Stuttgarter Nachrichten lautet Hans-Georg Maaßens Botschaft hinter der Strafanzeige: "Ich will Journalisten - vor allem aber deren Informanten - an den Kragen, sollten sie Geheimes der Geheimen ans Licht bringen. Eine Botschaft auch - vielleicht sogar gerade - für die Journalisten, die seit Monaten, seit Jahren Pannen, Skandale und Defizite bei den deutschen Nachrichtendiensten im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) offenlegen: von geschredderten Akten in Maaßens eigenem Haus über an Neonazis durchgestochene Warnungen zu bevorstehenden Razzien bis hin zur Irreführung ermittelnder Polizeibeamter." Dazu haben Reporter aus vertraulichen und geheimen Akten zitiert. Und sie weisen bis heute nach, dass Politiker, Richter und Öffentlichkeit von Verfassungsschützern an der Nase herumgeführt, mit Halbwahrheiten abgespeist und angelogen werden, meint die Zeitung.

Die Neue Osnabrücker Zeitung meint hingegen, dass Deutschland keine Bananenrepublik sei, in der willkürlich entschieden werden könne, ob und wie die Justiz agiere. Wenn sie also Ermittlungen aufnehme, werde sie sich dazu verpflichtet sehen. "Dass sich das Blog Netzpolitik.org seine Verdienste erworben hat, darf es nicht vor einer juristischen Prüfung schützen." Die Ermittlung des Generalbundesanwaltes mag verwundern. "Formal beanstanden kann sie nur, wer sich argumentativ in Grenzbereiche begibt, die er besser meiden sollte." Eine andere Frage sei, ob das Vorgehen klug sei. Nun zeigen drei Finger auf Politik und Behörden zurück. "Zu einladend ist die Vorlage, sich lustig zu machen über einen Apparat, den das Ausspähen durch die Amerikaner nicht sonderlich schert, der aber in Rage gerät, wenn die Presse über eine Unterabteilung berichtet."

Zusammengestellt von Lisa Schwesig

Quelle: ntv.de

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