Pressestimmen

Zum Tod von Walter Scheel "Der Weichensteller und Strippenzieher"

Nach dem Tod Walter Scheels widmen dem Politiker einige Tageszeitungen einen Kommentar. Der Tenor ist wohlwollend und wertschätzend gegenüber dem Politiker, der von 1974 bis 1979 das Amt des Bundespräsidenten inne hatte.

Die Welt aus Berlin lobt neben seiner Arbeit als Bundespräsident vor allem sein Agieren als Außenminister und schreibt: "Scheels Leistungen lassen sich ohne Mühe mit denen Willy Brandts, Helmut Schmidts, Franz Josef Strauß' und Helmut Kohls vergleichen. Mit guten Gründen könnte man den 1919 bei Solingen geborenen Scheel sogar noch vor dem bis heute alles beherrschenden Hans-Dietrich Genscher nennen, wenn es darum geht, die Verdienste für die FDP und das Land insgesamt zu gewichten. Ähnlich wie Brandt war Scheel von der Notwendigkeit einer neuen Ostpolitik überzeugt. Anders als viele seiner Nachfolger im Amt des Außenministers verwaltete er nicht nur die Außenpolitik, sondern gestaltete sie auch."

Die in Freiburg erscheinende Badische Zeitung sieht im Ableben Scheels den Verlust eines Politikers, der auch heute einen wichtigen Beitrag leisten könnte: "(In Freiburg...) wurde er 1968 Vorsitzender der FDP, befreite sich seine Partei vom Joch der eher national gesinnten Altliberalen. Hier wurden 1971 die Freiburger Thesen verabschiedet, in denen sich die FDP ein sozialliberales Programm gab und eine Reform des Kapitalismus forderte. In beiden Ereignissen zeigen sich wichtige Eigenschaften für den politischen Erfolg: das Gespür für den richtigen Moment, den Mut, ihn zu nutzen und die Fähigkeit, kluge Köpfe um sich zu versammeln. Was Egon Bahr für Brandt war, das waren Karl-Herrmann Flach, Ralf Dahrendorf und Werner Maihofer für Scheel: Vordenker. Scheels Tod lässt uns nicht nur Abschied nehmen von einem Baumeister der Ostpolitik, einem leutseligen Bundespräsidenten und brillanten Redner. Er zeigt uns auch, was wir heute schmerzhaft vermissen: einen Plan für einen sozialen Kapitalismus in einer globalen Welt - neue Freiburger Thesen eben."

Auch der Schwarzwälder Bote aus Oberndorf befindet, dass das Erbe Scheels der heutigen Politik ein Vorbild sein kann: "Die Bundesrepublik hat mächtigere Politiker gehabt, einflussreichere und geschichtsträchtigere: Doch Walter Scheel gehört beim Spitzenpersonal unseres Landes zu den sympathischen, beliebten Repräsentanten von Staat und Gesellschaft. ... Scheel war einer der politischen Architekten, der Weichensteller und Strippenzieher einer freier, offener, erwachsener werdenden Demokratie. Sozial-liberale Ära, Ost- und Deutschlandpolitik lauten die Stichworte... Und auch heute täte manch politischem Wichtigtuer der Vers aus Scheels Liedchen gut: 'Aber der Wagen, der rollt.'"

Zusammengestellt von Anne Pollmann

Quelle: ntv.de

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