Pressestimmen

Athener Reparationsforderungen "Wer soll diese Regierung ernst nehmen?"

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Mitten im Schuldenstreit präsentiert Griechenland der Bundesregierung eine Rechnung über Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die vom griechischen Finanzministerium errechnete Summe beläuft sich auf 278,7 Milliarden Euro - knapp die Summe, die Athen seinen Gläubigern derzeit schuldig ist. Deutschland weist die Forderungen aus Athen entschieden zurück. In der deutschen Presse wird kontrovers diskutiert.

Der Münchner Merkur bezeichnet das Vorgehen Athens als "unverfroren": "Gewiss: Es ist das Recht der griechischen Regierung, Wiedergutmachung zu fordern. Eine andere Frage aber ist es, in so hochsensibler Lage eine solch unverfrorene Rechnung nach dem Motto "Frisches Geld gegen Erlass der moralischen Schuld" aufzumachen. So geht es nicht unter Partnern. Die links-rechts-radikale Regierung begibt sich immer weiter ins Abseits. Auf dem Weg dorthin sollte die Eurozone Syriza fortan keine Steine mehr in den Weg legen."

Die Dithmarsche Landeszeitung fordert: "Statt sich nun über diesen verständlichen wie irrationalen Schachzug zu ärgern, sollte der Blick fürs Eigentliche nicht verloren gehen." Griechenland werde seine Schulden nicht in absehbarer Zeit begleichen können: "Selbst wenn es Athen gelingt, bis Donnerstag die 450 Millionen Euro für den IWF zusammenzukratzen, deutet vieles darauf hin, dass es dennoch zu einem Schuldenschnitt kommen wird. Deutschland als Hauptgläubiger verlöre dann viele Milliarden Euro - Reparationsforderungen hin oder her."

"Schocktherapie war bisher keine wirklich erfolgreiche Methode, auf internationalem Parkett ein Ziel zu erreichen", kommentiert das Handelsblatt. Dass die griechische Regierung sich dennoch auf diesen Weg begebe, sei offenkundig ein politisches Chiffre: Der geforderte Betrag sei "knapp so hoch wie der Betrag, den Griechenland seinen Gläubigern gerade schuldet". Athen könne, so die Zeitung weiter, "also Hasardeur spielen, ein Fass aufmachen, Deutschland vor den Kadi zerren und dabei auf den lieben Gott und einen langen Rechtsstreit setzen". Hierzu fragt das Blatt abschließend: "Wäre das aber klug angesichts der prekären Schieflage des Landes und angesichts des nötigen Goodwills der Europäer, insbesondere des stärksten Financiers Deutschland?"

Die Berliner Zeitung kritisiert die Haltung der Bundesregierung zu den Reparationsforderungen: "Nun kann man leicht zu der Auffassung kommen, die Griechen sollten sich  darauf konzentrieren, ihren Staat und ihre Wirtschaft so in Schuss zu bringen, dass es endlich vorangeht mit dem Steuernzahlen und -einnehmen, statt immer wieder alte Rechnungen aufzumachen. Doch die deutsche Gutsherrenhaltung, einen offensichtlichen Konflikt einfach für erledigt zu erklären und jedes Gespräch, jede Verhandlung darüber abzulehnen, ist angesichts der Verbrechen, die den Forderungen zugrunde liegen, auch nicht akzeptabel."

Auch die Ludwigsburger Kreiszeitung sieht angesichts der offenen Rechnung aus dem Zweiten Weltkrieg Gesprächsbedarf. Für das Verhalten der griechischen Regierung äußert sie dennoch Unverständnis: "Wer soll diese Regierung eigentlich noch ernst nehmen? Mit wilden Vorwürfen und Beleidigungen wird man jedenfalls keinen Kompromiss beim heiklen Problem der Reparationen finden. Tatsache ist, dass Hitlers Soldaten unendlich viel Leid in Griechenland angerichtet haben. Fest steht auch, dass Nazi-Deutschland den Griechen damals einen Kredit abgepresst hatte, der zwar nur einen Bruchteil der jetzt von Athen deklarierten Schuldsumme ausmachte, aber bis heute nicht zurückgezahlt worden ist. Darüber kann man, darüber muss man reden. Allerdings nicht nach dem Drehbuch der Tsipras-Regierung. Zumal dadurch der fatale Eindruck entstünde, dass Deutschland auch für die aktuell drohende Pleite Griechenlands verantwortlich ist."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg

Quelle: ntv.de

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