Mangel an Wohnraum Eigenbedarfskündigung wirksam: Mieter können trotzdem bleiben
30.01.2024, 10:50 Uhr Artikel anhören
Jetzt wird es ernst.
(Foto: dpa-tmn)
Flattert die Eigenbedarfskündigung des Vermieters ins Haus, ist für Mieter meist Schluss mit lustig. Zumindest, wenn der Rauswurf gut begründet ist. Doch manchmal schützt auch eine Sozialklausel. Und die kann auch bei einem Mangel an Wohnraum greifen, wie ein Urteil zeigt.
Grundsätzlich gilt: Wollen Eigentümer Mieter an die Luft setzen, um die vermietete Immobilie selbst zu nutzen, brauchen sie einen triftigen Grund für die Kündigung. Denn eine Eigenbedarfskündigung setzt ein Nutzungsinteresse von hinreichendem Gewicht voraus. So ist sie gesetzlich geregelt. Im Kündigungsschreiben muss etwa stehen, wer an seiner Stelle einziehen soll und warum. Ist dies gegeben, sind Mieter meist chancenlos.
Zur Abwehr des Rauswurfs können sich Mieter aber auf die sogenannte Sozial- oder Härtefallklausel (Paragraf 574 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) berufen. Zu den Härtefallgründen gehören unter anderem Alter, Krankheit, Schwangerschaft, Mietdauer, Verwurzelung im Umfeld oder kurz bevorstehende Prüfungen. Oder auch, wenn kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen ist, wie ein Urteil des Landgerichts Berlin II zeigt (Az.: 117 C 257/21).
Wie war der Fall?
Zunächst hatte das Amtsgericht Berlin-Mitte eine von der Vermieterin erhobene Räumungsklage mit der Begründung abgewiesen, die von der Vermieterin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung sei formunwirksam. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Vermieterin hat das Landgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Eigenbedarfskündigung - anders als zuvor das Amtsgericht - zwar für wirksam erachtet, jedoch zugleich die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren angeordnet.
Die Begründung
Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, dass es den beklagten Mietern in dem vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen. Demzufolge können Mieter unter Berufung auf die sogenannte Sozialklausel nach Abwägung mit den Vermieterinteressen unter gewissen Voraussetzungen die Fortsetzung ihres Mietverhältnisses verlangen, auch wenn die zuvor ausgesprochene Kündigung wirksam ist.
Das Urteil trägt den Bemühungen der Mieter Rechnung, dass sich diese nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung über einen Zeitraum von fast zwei Jahren auf eine Vielzahl von Wohnungen im gesamten Berliner Stadtgebiet beworben haben, jedoch aufgrund der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sowie des nur noch geringen Angebotes freier Wohnungen mit ihren Bewerbungen erfolglos blieben.
Außerdem wurde in dem Urteil berücksichtigt, dass der von der Vermieterin geltend gemachte Eigenbedarf als nicht besonders dringlich eingeordnet wurde. Das Gericht hat im Rahmen seiner Entscheidung allerdings die bisherigen Vertragsbedingungen von Amts wegen geändert und neben der Anordnung der befristeten Fortdauer des Mietverhältnisses auch die von den Mietern bisher geschuldete Nettokaltmiete auf ein marktübliches Niveau angehoben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: ntv.de, awi